Escape Rooms lassen sich mittlerweile in jeder (Klein-)Stadt erleben: Vom Gefängnisausbruch bis zu Spielen, in denen etwa die Welt von The Legend of Zelda Pate steht, ist alles dabei. Zumeist handelt es sich dabei um echte Räumlichkeiten, in die sich eine Gruppe von Spielern einsperren lässt, um innerhalb eines bestimmten Zeitlimits Rätsel zu lösen und sich so zu befreien.
Da sich das Rätseln und Knobeln aber auch gut auf dem heimischen Spieletisch nachbilden lässt, folgten alsbald Brettspieladaptionen. Escape Room lässt bei der Namenswahl keine Fragen offen und stellt damit eindeutig klar, was es zu bieten hat: In vier Szenarien können zwei bis fünf Spieler versuchen, die aus drei Etappen bestehenden Problemfälle zu lösen. Dafür haben sie eine Stunde Zeit.
Die Zeit wird dabei nicht mit einer popeligen Stoppuhr gemessen, sondern mit dem Alleinstellungsmerkmal von Escape Room das es von anderen, ähnlichen Spielen abhebt: dem Chrono Decoder. Dabei handelt es sich um ein Gerät, das nicht nur die Zeit verrinnen lässt, sondern auch für atmosphärische Klänge sorgt und als Tippgeber fungiert. Außerdem müssen die Codes, durch die die einzelnen Etappen abgeschlossen werden, in den Decoder eingegeben werden. Dazu stehen den Spielern 16 Schlüssel zur Verfügung, die mit Buchstaben, Zahlen, Zeichen und Formen versehen sind. Gemäß den Hinweisen des Szenarios müssen vier davon in richtiger Reihenfolge in den Decoder gesteckt werden: Ertönt eine Fanfare, darf mit dem nächsten Teil des Rätsels weitergemacht werden oder aber das Spiel ist nach der dritten Etappe gewonnen. Bei falscher Eingabe werden fünf Minuten vom Zeitbudget abgezogen. Wildes Raten ist daher keine valide Option.
Thematisch bietet die erweiterbare Grundbox primär Standardkost: Mal müsst ihr aus dem Gefängnis ausbrechen, mal den Ausbruch eines Virus verhindern, mal eine Bombe entschärfen. Für Kenner von Escape Rooms bietet sich hier thematisch nicht viel Neues, immerhin sind die Rätsel in den schwierigeren Szenarien oftmals sehr clever konzipiert. Highlight der Grundbox ist die Flucht aus einem aztekischen Tempel, die ganz andere Rätselformen und Knobeleien ermöglicht als man sie aus realen oder anderen Brettspiel-Escape-Rooms kennt. Nicht immer gibt es bei größerer Spielerzahl für jeden etwas zu tun, allerdings passiert das nicht besonders häufig.
Jedes Szenario bietet Hinweiskarten für den Fall, dass die Spieler nicht mehr weiterwissen. Diese werden zu bestimmten Zeitpunkten durch einen Signalton des Decoders freigeschaltet und geben mal mehr, mal weniger hilfreiche Tipps preis. Landet man in einer gedanklichen Sackgasse und ist der nächste Tipp noch fünf Minuten entfernt, kann sich jedoch ein gewisser Frust einschleichen, der primär das letzte Drittel der Spielzeit überschatten kann. Die Spielregeln weisen zwar an mehreren Stellen darauf hin, dass man alle Materialien mehrfach auf beiden Seiten untersuchen soll, dennoch ist damit zu rechnen, dass die Gruppe mal auf dem Schlauch steht. Dann vermisst man einen menschlichen Spielleiter ganz besonders, der vielleicht etwas früher als der Decoder einen hilfreichen Tipp geben könnte. Andererseits bleibt es so bis zum Ende hin spannend und in meinen Testrunden haben wir immer relativ knapp gewonnen oder verloren. Hitzige Diskussionen sind während des Spiels genauso an der Tagesordnung wie Enttäuschung über die Leistung eines Mitspielers, der seine Aufgabe unzureichend erfüllt hat und die Gruppe das erst nach 10 Minuten verzweifelten Tüftelns erkennt. Diese Emotionen gehören zum Spielerlebnis dazu, sind aber nicht jedermanns Sache.
Das Fehlen einer thematischen Umgebung und eines menschlichen Spielleiters sind die größten Probleme mit denen Escape Room-Spiele zu kämpfen haben, weil dies unschöne Spielsituationen zur Folge haben kann. „Escape Room“ bildet da keine Ausnahme, gerade weil es das reale Erlebnis so gut es geht für Zuhause einfangen will. Das gelingt eben nur bedingt. Der Decoder, der leider ohne die drei notwendigen AA-Batterien ausgeliefert wird, kann als künstlicher Spielleiter auch keinen menschlichen ersetzen, bietet aber als Code-Lesegerät ein geeignetes Hindernis, das es vermittels verschiedenster Rätseleinlagen zu überwinden gilt.
Klar ist natürlich, dass der Wiederspielwert für dieselben Personen gegen Null geht, mit einer anderen Spielergruppe lassen sich die Szenarien jedoch problemlos erneut spielen. Zum Teil ist dabei jedoch das Ausdrucken von Materialien nötig, um verbrauchte ‚Requisiten‘ zu ersetzen. An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass ein Teil des Materials, das aus Spoiler-Gründen nicht näher beschrieben werden kann, qualitativ zu wünschen übrigließ. Wer Gefallen am Spielerlebnis von „Escape Room“ hat, kann unzählige weitere Szenarien erwerben, die alle ebenfalls den Chrono Decoder des Grundspiels verwenden.
Alles in allem bietet „Escape Room“ alles, um das gleichnamige Phänomen in jedes Wohnzimmer zu transportieren, auch wenn atmosphärisch viel auf der Strecke bleibt. Da hilft zumindest die Gratis-App etwas, die auf die Szenarien zugeschnittene, atmosphärische Klänge über die Lautsprecher eures Smartgeräts sendet. Immerhin sind die Rätsel knackig und clever konstruiert, wodurch Frustmomente, je nach Spielergruppe, aber nicht ausgeschlossen werden können. „Escape Room“ zeigt aber auch, wie vielfältig Brettspiele in ihrer Erscheinungsform sein können und macht sich daher in jeder Sammlung gut, die eine Vielzahl von Erlebnissen bieten will.
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Für 3 bis 5 Spieler in ca. 60 Minuten
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Noris Spiele)