Gefühlt vergeht aktuell kein Tag, an dem nicht irgendwer erzählt, kürzlich beim letzten Betriebsausflug oder der Butterfahrt mit dem Verein in einem Escape Room gewesen zu sein. Sich gemeinsam einsperren zu lassen um Rätsel zu lösen, scheint ungebrochen im Trend zu liegen und die Welle der Begeisterung schwappte ja schon vor einiger Zeit auch auf Brettspiele über. Escape-Games sprießen überall aus dem Boden und sind qualitativ absolut unterschiedlich. Der große Nachteil bei vielen Spielen dieser Art ist natürlich, dass sie nur einmal gespielt werden können. Zum einen, weil man die Lösung kennt, zum anderen weil in der Regel Material mehr oder weniger Vernichtet werden muss, wodurch das Spiel später schlicht unspielbar wird.
Kann also ein Escape-Room-Spiel für die Hosentasche in diesem ohnehin überfüllten Genre seinen Platz finden? Schauen wir uns das doch einmal in Ruhe an:
Öffnet man eine Deckscape Verpackung erwartet einen lediglich ein Stapel mit Karten, den man zwar auspacken, aber ansonsten nichts weiter damit tun darf. Es gibt keine Anleitung, keine Würfel, keinen Schnickschnack. Lediglich den Kartenstapel. Die ersten Karten sind gleichermaßen Anleitung und Einführung in die Story des Spiels. Hier wird das Setting festgelegt und alles Notwendige erklärt. Ungeduldige Spieler tun sich hier vielleicht etwas schwer, denn es ist schon einiges an Text, der da durchgeackert werden muss. Sobald das eigentliche Spiel beginnt, hören die Textwüsten allerdings auf und es gibt ausschließlich Rätsel.
Das ganze fühlt sich dabei extrem nach einem Point-and-Click-Adventure auf dem PC an, denn viele Rätsel müssen bedingen sich gegenseitig: „Wenn Du Gegenstand x hast, kannst Du dieses Rätsel lösen“, „zum Öffnen der Schublade brauchst Du einen Schlüssel“, „wo muss das Teil eingesetzt werden, damit alles passt“.
Der Schwierigkeitsgrad variiert dabei von ultraleicht zu mittelschwer. Ist sich die Gruppe darüber einig, die Lösung gefunden zu haben, wird die Karte umgedreht und die vermeintliche Lösung mit der richtigen verglichen. Passt alles, spielt man einfach weiter. Ist die eigene Lösung nicht richtig, gibt es Strafpunkte. Diese Strafpunkte werden am Ende des Spiels in Strafsekunden umgerechnet und beeinflussen die Abschlusswertung. Ist man sich allerdings nicht ganz sicher, ob die eigene Lösung stimmt, darf man sich einen Hinweis für die Lösung anschauen. Diese Hinweise sind mal mehr und mal weniger hilfreich, machen das Rätseln aber nie zunichte.
Ein großer Nachteil dieser Systematik besteht darin, dass man quasi nur einen Versuch hat, auf die richtige Lösung zu kommen. Sobald man einmal die Karte gedreht und die Lösung angeschaut hat, ist’s mit dem Rätseln halt vorbei. Der große Vorteil des Ganzen besteht aber darin, dass der Fantasie bei den Rätseln keine Grenzen gesetzt sind. Und genau diesen Vorteil nutzen die beiden Deckscape Spiele, die ich hier testen durfte, auch wirklich aus. Zahlenrätsel, Bilderrätsel, Kombinationsrätsel und und und…kein Rätsel gleicht dem anderen. Bei einigen Rätseln kamen wir auch gar nicht erst auf die richtige Lösung, da wir auf einer völlig falschen Fährte waren (und uns demnach keine Hinweise angeschaut hatten) und fragten uns nach dem Aufdecken der Lösung schon, wie man denn darauf kommen sollte. Andererseits hätte es oftmals geholfen, sich die Karten einfach mal ein wenig genauer anzuschauen. Die Rätsel waren also niemals unfair oder unlösbar, meistens waren sie tatsächlich sogar etwas seicht, so dass sich Deckscape auch als Familienspiel mit etwas älteren Kindern wunderbar eignet. Für den Einsatz als Familienspiel spricht auch die Spielzeit von gerade mal rund einer Stunde. Etwas schade war allerdings, dass die Stories selbst etwas kurz kommen und dadurch keine echte „Sogwirkung“ erzeugt wird.
Die Qualität der Karten ist 1A. Sowohl optisch, als auch von der Materialstärke her kann man hier nicht meckern. Auch sind die Karten ansprechend groß. Allerdings dürften sie trotzdem eine Nummer größer sein. Da es wirklich wichtig ist, sich die einzelnen Bildern genau anzuschauen, bremst bei mehreren Spielern einfach das rumreichen der Karten enorm den Spielfluss.
Besonders schön finde ich es, dass bei Deckscape kein Material vernichtet oder zwingend beschriftet werden muss und das Spiel somit problemlos weitergegeben oder in ein paar Jahren einfach nochmal auf den Tisch geholt werden kann.
Im direkten Vergleich der beiden genannten Deckscape Spiele schneidet Der Test nochmal deutlich besser ab, als Das Schicksal von London. Bei letzterem werden in Punkte Schwierigkeitsgrad nochmal ein paar Schippen aufgelegt, allerdings sind die Rätsel teilweise nicht mehr ganz so nachvollziehbar, wie beim Test. Während man beim Test nach eine falschen Lösung sich einfach auf die Stirn klatscht und sich ärgert, dass man nicht selbst auf die Lösung gekommen ist, fragt man sich bei London schon das ein oder andere Mal, wie man bitteschön darauf hätte kommen sollen. Grundsätzlich sind aber auch diese Rätsel lösbar und hier kommt es sehr auf den persönlichen Geschmack und die Zusammensetzung der Gruppe an. Als Familienspiel taugt Der Test etwas mehr, zumal auch das Setting etwas harmloser ist, als bei London.
Lange Rede, kurzer Sinn: Wir hatten mit den beiden Deckscape Spielen wirklich Spaß und freuen uns auf weitere Teile der Reihe.
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Deckscape: Der Test & Das Schicksal von London von Martino Chiacchiera und Silvano Sorrentino
Erschienen bei Abacus