Einmal im Jahr treffen sich die „Fachleute“ für Tränke und vermeintliche Heilmittel in Quedlinburg und versuchen mit allerlei Versprechen ihr Gebräu an den Mann oder Frau zu bringen. Natürlich lautet die Devise: je mehr Zutaten enthalten sind, desto besser wirkt der Trank und kann somit teurer verkauft werden.
Tretet ein in die Welt von den Quacksalbern von Quedlinburg, welches nun bei Schmidt Spiele erschienen ist und aus der Feder von Wolfgang Warsch stammt, der vor kurzem gerade erst mit The Mind ein potentielles Spiel des Jahres abgeliefert hat und ich nehme es schon vorweg: auch die Quacksalber hätten in meinen Augen eine Chance verdient. Die Quacksalber sind ab 10 Jahren und für 2-4 Spieler.
Aber von vorne: der Karton ist bereits liebevoll mit einer mittelalterlichen Marktszene gestaltet und lädt ein sich das ganze mal genauer anzusehen. Auch inhaltlich befinden wir uns auf höchstem Niveau: vier Kesseltableaus aus stabiler Pappe, ein Punktetableau, kleine Holzmarker, vier schwarze Säckchen, eine handvoll Rubine, ein paar Karten und einen Würfel. Nicht zu vergessen: eine Unmenge an Zutatenplättchen (219!!). Alles was in erster Linie ein Kennerspiel ausmacht, könnte man meinen, aber aufgrund eines tollen Kniffs, auch prima für die Familie geeignet, dazu später mehr.
Jeder Spieler erhält einen Kessel, einen Beutel, sowie Siegpunkt- und Rattenmarker in seiner Farbe. Im Kessel befindet sich eine spiralenförmige Zahlenreihe von 0 bis 35 wobei manche Zahlen doppelt vorhanden sind. Jeder Spieler setzt einen Tropfenmarker seiner Farbe auf die Null in seinem Kessel und markiert damit quasi den Startpunkt der ersten Zutat, denn diese wird nach den Tropfenmarker gelegt. Dann gibt es für jeden noch eine kleine Flasche aus Pappe mit einer geheimnisvollen Flüssigkeit und einen Rubin. Zutaten bekommen wir auch und zwar wie folgt: einen weißen Marker (Knallerbsen) mit Wert 3, einen mit Wert 2 und vier mit Wert 1, dazu noch einen orangenen Marker (Kürbis) mit Wert 1 und einen grünen Marker (Kreuzspinne) mit Wert 1. Alle Zutaten kommen in euren Beutel.
Wir bestimmen einen Startspieler. Dieser nimmt sich den Stapel mit den Wahrsagerkarten (gehört nicht auf jeden guten Markt eine Wahrsagerin??), mischt diese und zieht dann die oberste Karte. Darin befinden sich Aktionen, die entweder sofort ausgeführt werden müssen, die Runde über gültig sind oder am Ende durchgeführt werden.
So und nun rühren wir unseren ersten Trank. Jeder greift in seinen Beutel und zieht einen der Zutatenmarker. Je nach Wert platziert man dann diesen im Kessel. Zutaten mit Wert 1 kommen direkt nach dem Tropfenmarker oder der zuletzt gezogenen Zutat, Zutaten mit Wert 2/3/4 dürfen ihrem Wert entsprechend Positionen weiter gelegt werden. Aber Achtung: zieht ihr von den Knallerbsen so viel, dass der Wert 7 überschritten wird, explodiert euer Kessel und ihr dürft keine weiteren Zutaten ziehen und es hat Auswirkungen, wenn es um die Wertung eures Tranks geht. Habt ihr eine Knallerbse gezogen und sie passt euch nicht, dann kommt das kleine Fläschchen zum Zug, denn wenn ihr dieses leert, dürft ihr die zuletzt gezogene Knallerbse zurück in den Beutel legen und verhindert somit eine Explosion.
Zutaten wie Knallerbsen und Kürbis haben keine weiteren Auswirkungen auf euren Trank und dienen quasi nur als Füller bzw. Geschmack, aber die anderen Zutaten (Kreuzspinne, Fliegenpilz, Krähenschädel, Alraunwurzel, Geisteratem und Totenkopffalter) können Auswirkungen haben, sei es sofort nach Ziehen der Zutat oder während der Wertung.
Hier muss ich erwähnen, dass nun der tolle Kniff zum Tragen kommt. So gibt es für einen Großteil dieser Zutaten verschiedene Rezeptbücher, die ihr verwenden könnt und die Zutaten somit andere Auswirkungen erhalten. Vom Autor gibt es vier vorgegebene Sets, die verwendet werden können und ausbalanciert wurden, aber natürlich könnt ihr euch auch eigene Sets zusammenstellen. Bei Verwendung von Set 1 zum Beispiel kann man die Quacksalber wunderbar mit der Familie spielen, bei Set 4 wird es schon ein wenig komplexer und spricht somit auch Kennerspieler an. Toll, einem diese Möglichkeit zu geben, denn man hätte das sonst sicherlich auch über Erweiterungen lösen können, so bietet das Spiel aber schon sofort eine tolle Variation.
Haben wir uns entschieden keine weiteren Zutaten zu ziehen, ist der Trank fertig und wir beginnen mit der Wertung. Übrigens kann jeder selbst, zu jeder Zeit für sich entscheiden keine Zutaten mehr zu ziehen. Laut Grundregel zieht jeder für sich und platziert die Zutaten, ich würde aber empfehlen, die Zutaten auf Kommando zu ziehen (so muss es in der 9. und letzten Runde getan werden und wird auch vom Autor für alle Runde vorgeschlagen), wer aussteigt zeigt dann einfach seine leere Hand.
Nun schauen wir nach, wer seine letzte Zutat an der weitesten Stelle abgelegt hat, dieser Spieler bekommt den Bonuswürfel und darf diesen werfen, falls es Gleichstand gibt werfen alle, die an dieser Position beendet haben. Die Boni sind Siegpunkte, Rubine oder einen kostenlosen Kürbis-Chip.
Dann prüfen wir, ob wir Zutaten gelegt haben, die jetzt Auswirkungen haben. So bekommt z.B. der Spieler der die meisten schwarzen Totenkopffaltar in seinem Kessel hat, die Erlaubnis seinen Tropfenmarker im Kessel einen Platz vorzurücken und bekommt dazu noch einen Rubin. Falls mehrere die gleiche Anzahl haben, dann fällt der Rubin weg.
Jetzt schauen wir uns den Platz nach der zuletzt abgelegten Zutat an. Ist dort ein kleiner Rubin abgebildet, bekomme ich einen. Des Weiteren stehen dort noch Siegpunkte, die wir bekommen und den Wert der Position im Kessel, darf ich nun verwenden und mir in Höhe dieses Werts neue Zutaten kaufen. Die Preise stehen in den jeweiligen Rezeptbüchern.
Ist mein Kessel allerdings vorher explodiert, darf ich übrigens nicht den Bonuswürfel werfen, auch wenn ich am weitesten gekommen bin und MUSS mich nun entscheiden, ob ich die Siegpunkte nehme ODER für den Wert neue Zutaten kaufe. Beides geht dann nicht.
Zuletzt darf ich dann noch 2 Rubine eintauschen, um meinen Tropfenmarker eine Position weiter zu setzen oder meine kleine Flasche wieder aufzufüllen.
Jetzt kommen alle Zutaten wieder in den Beutel und die nächste Runde beginnt. Sehr schön übrigens wird die Rundenzahl auf dem Punktetableau dargestellt. Es hängen dort 9 Öllampen und mit einem Flammenmarker aus Holz entzünden wir diese. Tolle Idee!
Im Laufe des Spiels kommen 2 neue Zutaten hinzu, sowie einen zusätzlichen weißen Marker für jeden. Zum Ende der 9. und letzten Runde darf man dann noch die überschüssigen Rubine und die Werte auf denen man gelandet ist gegen Siegpunkte tauschen. Wer die meisten Siegpunkte hat, gewinnt das Spiel und war der erfolgreichste Quacksalber mit seinen Tränken.
Toll, toll, toll... mehr fällt mir dazu nicht ein, denn nur selten habe ich ein solch ausgeglichenes Spiel gesehen mit so vielen Variationen. Nebst den 4 Sets der Zutaten bietet das Spiel noch eine weitere Variante auf der Rückseite des Kessels. Spielt man mit dieser, bekommt man eine Reihe an Reagenzgläser hinzu auf die ebenfalls ein Tropfenmarker kommt und jedes Mal, wenn man diesen bewegen darf, kann man sich entscheiden im Kessel oder bei den Reagenzgläsern vorzurücken. Durch die Reagenzgläser gibt es dann auch noch Boni. Eine wirklich schöne Option.
Sämtliches Spielmaterial ist toll gestaltet, hochwertig (bis auf die Säckchen, die wirken doch recht billig) und bieten zu jeder Zeit alle Informationen. Auf den Kesseln gibt es nochmal die Explosionsregeln für jeden und beim Punktetableau sind die Wertungsschritte zur Erinnerung. Unter den Kesseln sind Schalen und Säckchen so gezeichnet worden, dass es stets so aussieht, als befänden sich diese Gegenstände (Marker, Rubine, Fläschchen) in diesen Behältnissen.
Die Mechanik ist relativ simpel mit einem großen Push-Your-Luck-Anteil, aber man kann kaum die Finger davon lassen noch mehr Zutaten zu ziehen, obwohl man schon Knallerbsen von 7 im Kessel hat, aber da sind noch soooo viele andere Zutaten im Beutel. Umso erschreckender wenn man dann doch noch so eine verdammte Knallerbse gezogen hat und die Gier bestraft wurde. Von diesen Momenten lebt das Spiel und auch deswegen empfehle ich nochmal das Ziehen der Zutaten auf Kommando, denn so bekommen alle mit, was bei einem passiert und der Spaß steigt deutlich. Zum leichten Kennerspiel wird es durch die Variationen der Zutaten, die einem schon vor die Qual der Wahl stellen, welche man kaufen und in seinen Beutel nehmen sollte.
Was mir wirklich hervorragend gefallen hat, ist auch die Ausgeglichenheit die immer herrscht, denn durch den Rattenmarker werden zurückliegende Mitspieler gefördert. Rattenmarker?? Oh, die habe ich bisher ganz vergessen. Auf dem Punktetableau befinden sich hin und wieder zwischen den Punkten Rattenschwänze. Zu Beginn einer neuen Runde überprüft jeder wie viele Rattenschwänze zwischen ihm und dem Führenden liegen. Um diese Anzahl darf er dann seinen Rattenmarker nach dem Tropfenmarker in den Kessel legen. Die erste Zutat wird dann vom Rattenmarker aus gelegt. Diese kleine aber feine Hilfestellung holt jeden Spieler wieder zurück ins Boot und man bekommt kaum das Gefühl überhaupt keine Chance mehr zu haben. Das Spiel bleibt bis zum Schluss spannend und gerade in der letzten Runden können noch entscheidende Punkte hinzukommen. Kleiner Kniff, große Wirkung! Chapeau.
Ihr seht, das Spiel hat es mir wirklich angetan, vor allem durch seine Familientauglichkeit und die liebevolle Gestaltung durch und durch. Es ist leicht zu erlernen, aber bietet trotzdem so viele Möglichkeiten, dass eigentlich jeder Spieler Spaß mit diesem Werk haben sollte. Klare Kaufempfehlung von meiner Seite und irgendwie ein kleiner Geheimtipp für eine Auszeichnung...
Wolfgang Warsch hat einen Lauf und ich geh jetzt schnell einkaufen, ich brauche noch Geisteratem und Alraunwurzel...
Die Quacksalber von Quedlinburg von Wolfgang Warsch
Erschienen bei Schmidt Spiele
Erschienen bei Schmidt Spiele
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 40 Minuten
Boardgamegeek Link
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Schmidt Spiele)