Brettspiele mit App-Unterstützung sind ja ein
zweischneidiges Schwert. Zum einen braucht man überhaupt erstmal ein Tablet
(welches natürlich nicht der Packung beiliegt) und dann muss die Technik auch
noch mitspielen. Entweder braucht man eine bestimmte iOS oder Android Version,
oder vielleicht auch eine laufende Internetverbindung, oder ein Tablet das groß
genug ist, damit alle an einem Tisch was lesen können, ohne dass das Teil
herumgereicht werden muss oder oder oder. Hm.
Interaction wirbt ganz offensiv damit, dass es ein „modernes
Brettspiel mit App Unterstützung“ ist und sich diese App auch noch auf die
jeweiligen Spieler anpasst. Und zwar sowohl was das Alter betrifft, als auch
was das Geschlecht oder gar die Interessen angeht. Und dabei will es alle Sinne
und Talente fordern. Die eierlegende Wollmilchsau also. Interessant.
Da es ein App-Spiel ist, ist man nach dem Öffnen der Packung
zunächst nicht verwundert, dass in dieser irgendwie nichts drin ist. Neben
einem Spielfeld samt Wertungschips und
(selbst-beklebbaren) Figuren nämlich nur ein Würfel, ein Stapel Karten, ein
Tablet-Eingabestift und ein HackySack. Eine Anleitung? Fehlanzeige, aber die
braucht es dank App-Unterstützung nämlich nicht. Die mitgelieferten Komponenten
sind dafür allesamt hochwertig gearbeitet und schön designed.
Man baut das Spielfeld auf, installiert die App und erfasst
die Namen und das Alter aller Spieler. Dann beginnt dem Grunde nach auch schon
das Spiel und jeder Schritt wird einzeln erklärt. Möchte man diese Erklärungen
bei Folgerunden nicht mehr bekommen, kann man sie einfach abschalten. Ein
langwieriges Regelstudium bleibt hier also aus. Auspacken und losspielen ist
die Devise. Ein dicker Pluspunkt für jede Party.
Hat man das alles geschafft, bekommt jeder Mitspieler ein
paar persönliche Fragen gestellt, die er oder sie geheim beantworten soll. Hier
ist es natürlich wichtig, dass alle mitspielenden auch lesen können, was die
Altersempfehlung ab 8 Jahren erklärt.
Dann startet das eigentliche Spiel: Würfeln, mit der
Spielfigur auf einem Feld landen und dieses Feld in der App anklicken, um eine
Aufgabe zu bekommen. Dabei gibt es fünf Kategorien, die sich wirklich sehr
voneinander unterscheiden:
- Wissen = Multiple-Choice Quizfragen
- Kreativität = z.B. Montagsmaler oder Pantomime
- Action = leichte „sportliche“ Betätigung wie
„stelle einen Spieler in die Mitte und hüpfe auf einem Bein 20 Mal um ihn
herum“
- Social = „wie viel % unserer Community haben…“
oder Fragen zu den persönlichen Fragen der Mitspieler vom Spielaufbau wie „war
dein rechter Nachbar schon mal in Pisa?“
- Minigames = kurze Spiele auf dem Tablet
Hat man eine Aufgabe erfüllt, erhält man selbst sowie ab und zu auch ein Mitspieler (bpsw. beim Montagsmaler) einen Siegpunkt. Außerdem erhält man selbst eine Karte. Mit Hilfe der Karten kann man die Schwierigkeitsgrade der eigenen oder fremder Aufgaben absenken oder erhöhen. Hat man eine besondere Karte, darf man anderen auch ihre Aufgaben stehlen (Bezzerwizzer lässt grüßen).
Außerdem haben die Karten verschiedene Farben. Hat man hier drei gleiche Farben, darf man diese für ein kleines Glücksspiel einlösen. Hierdurch bekommt man bspw. Siegpunkte geschenkt oder tauscht den Platz mit einem Mitspieler.
Insgesamt also ein grundsätzlich abwechslungsreiches und
(insbesondere bei den Action-Aufgaben) sehr lustiges Spiel. Wenn da das
Wörtchen „Wenn“ nicht wär…oder hier insbesondere: wenn die App etwas
ausgereifter wär.
Das ganze musste ja einen Haken haben, richtig? Und im
vorliegenden Fall ist es die App, die die gemachten Versprechen nicht ganz
einhalten kann. Grundsätzlich wirkt sie sehr „rund“ und bringt alle nötigen
Informationen. Das „gespielte Tutorial“ ist toll und es bleiben keinerlei
Regelfragen offen. Auch funktioniert die App technisch ohne größere Probleme,
auch wenn eine dauerhaft benötigte Internetverbindung nicht unbedingt „schön“
ist.
Wo liegt also das Problem? Wie so oft: Im Detail. Bereits
beim ersten Durchgang haben sich die „Minispiele“ wiederholt. Insgesamt scheint
es auch nur drei zu geben, zumindest haben wir bei allen Durchgängen nur drei
Minispiele zu Gesicht bekommen. Bereits im zweiten Durchgang haben sich zudem
Wissensfragen und Aufgaben wiederholt. Man sieht also: Die App scheint ein
kleines Problem in Sachen Umfang zu haben. Das ist schade und mindert den Wiederspielwert
natürlich um ein gutes Stück. Doch war das noch nicht alles. Manchmal scheint
es auch der Anpassung der Aufgaben an das Alter der Mitspieler zu Haken.
Kleines Beispiel: Beim Montagsmaler bekommt derjenige Punkte, der malt und
derjenige, der das gemalte erkennt. Bei unserer Runde mit zwei Mitdreißigern
und einem 8jähren musste ich eine „Hebamme“ malen. Das kann natürlich ein
8jähriger nicht erkennen. Das ausgerechnet diese Aufgabe auch im zweiten
Durchgang direkt noch einmal vorkam und auch bei mir, war dann doppelt
ärgerlich und zeigt vielleicht noch einmal das Umfangs-Problem auf.
Machen die „Fehler“ in der App das Spiel also kaputt? Die
Antwort lautet ganz klar: Nein! Interaction ist trotz allem ein extrem spaßiges
Spiel für Groß und Klein, in dem jeder die Chance hat, zu gewinnen. Die (bis
auf die genannten Ausnahmen wirklich gut gemachte) App benötigt allerdings noch
ein wenig Feinschliff und die ein oder andere (kostenlose) Erweiterung. Dann
hat Interaction das Zeug zum Dauerbrenner für jede Party oder seichtere
Brettspielrunde.
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Interaction: No more boredom! von Reinhard Kern, Manfred Lamplmair und Gertrude Kurzmann
Erschienen bei Rudy Games
Für 2-9 Spieler in ca. 45 Minuten
Boardgamegeek-Link
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