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08.11.2017

Space Race


Ich versuche ja immer mal wieder an der ein oder anderen Stelle Spiele von kleineren Verlagen vorzustellen. Die große Bühne haben die nämlich meistens leider nicht. Dabei ist gerade da noch viel Herzblut zu spüren. Oft ist es eben das allererste veröffentlichte Spiel für einen Verlag, was vielleicht sogar mühsam über Crowdfunding finanziert wurde. Bei Space Race haben wir so eine eben beschriebene Indie-Perle. Total nette Jungs. Ehrensache, dass ich einen Blick auf das erfolgreich finanzierte Spiel werfe und einen kleinen Ausblick auf die bald erscheinende Erweiterung geben will.

In Space Race erleben wir das Feeling der goldenen Weltraumära nochmal neu. Wir übernehmen die Rollen von Russland, den USA, Europa oder einer privaten Raumfahrtgesellschaft und versuchen Meilensteine der Geschichte für uns zu beanspruchen und unser eigenes kleines Raumfahrtprojekt zu entwickeln und dabei die Gegner möglichst alt aussehen zu lassen.


Space Race sticht zunächst einmal mit seiner Aufmachung aus der großen Masse heraus. Kleine schicke kompakte Box, ein klasse Tiefziehteil und eine Grafik, die - zumindest mich - direkt in seinen Bann gezogen hat. Mit einem popart-mäßigem Stil, der bunt, schrill und animierend ist und dabei berühmte Persönlichkeiten der Ära (wie z. B. J. F. Kennedy oder Neil Armstrong) unverkennbar wiedergibt. Für mich aber ohnehin eine der Grundvoraussetzungen in der heutigen Zeit, um als kleiner Verlag bei Kickstarter auf sich aufmerksam zu machen, wenn man nicht massig Miniaturen in seinem Spiel haben will.
Mit Miniaturen haben wir es bei Space Race nämlich nun wirklich nicht zu tun. Nein, es handelt sich um ein Kartenspiel, welches im Herzen aus einer Art Bietmechanismus besteht. Dazu gibts einen interessanten Aktionsaktivierungsmechanismus und einen kleinen Twist im Bezug auf die Handkarten.


In Space Race müssen wir zunächst zwischen den verschiedenen Orten unterscheiden. Das ist insofern wichtig, da hier ein Hauptmechanismus des Spiels vorliegt, den es zu verstehen gilt.
Da wäre zunächst einmal unser Kontrollkartendeck, mit welchem wir auf diverse Karten für unsere Raumfahrtgesellschaft bieten können. Dann wäre da das Universum - eine Art Kartenauslage, auf die geboten wird. Dann gibt es die eigene Gesellschaft, in welche wir die ersteigerten Karten anlegen und Aktionen ausführen - mitsamt Labor (eine Art Zwischenlager für Karten). Zuletzt gibt es dann noch die Handkarten. Das sind ebenfalls Aktionskarten, die wir nach und nach ins Universum spielen. Alle Karten unterteilen sich in vier Kategorien: Propaganda, Technologie, Raumfahrtprogramm und Durchbrüche.

In Space Race müssen wir uns zunächst von dem Gedanken lösen, dass wir unsere Handkarten grundsätzlich und exklusiv bei unserem Raumfahrtprogramm anlegen dürfen. Handkarten wandern hier nämlich ausschließlich ins Universum, wo sie grundsätzlich erstmal jedem zur Verfügung stehen, sofern man bietet darauf geschickt. Bieten? Genau. Hier fängt der Spaß an. Zu Beginn einer jeden Runde bieten wir nämlich mit unseren Kontrollkarten verdeckt auf Karten im Universum. Will ich eine Propagandakarte, muss ich auch mit einer Propagandakontrollkarte bieten. Für jede Kategorie stehen mir in meinem Deck drei Bietkarten zur Verfügung - von schwach bis stark. Geboten wird dabei aber nicht auf konkrete Karten, sondern vielmehr um das Recht bei einer bestimmten Kategorie als erster sich seine Wunschkarte zu nehmen. Liegt keine Karte der entsprechenden Kategorie mehr aus und ich habe darauf geboten, gehe ich leer aus. Das kann in Space Race schon recht verheerend sein.


Einer der Hauptreize von Space Race liegt eben genau in diesem Bietmechanismus. Ich muss abschätzen, welche Karte mir in meinem Programm am meisten hilft und auf welche Karten es meine Mietstreiter vermutlich abgesehen haben könnten. Ebenfalls muss ich eine Entscheidung treffen, wie hoch ich in das Bieten einsteige. Gibt es vielleicht auch eine zweite oder gar dritte Karte der Kategorie, welche ausliegt und die ich zur Not auch nehmen könnte? Space Race fühlt sich an dieser Stelle spannend und intensiv an. Ich bin am tüfteln und überlegen und am Ende geht der Puls gegen 180, wenn ich eben nicht die "sichere" Variante wähle und auf Risiko gehe. Klappt es? Komme ich damit wirklich durch?

Dann werden die Karten abgehandelt. Meine neu erstandene Karte wird in mein Projekt gelegt und bringt mir nicht nur Siegpunkte und vielleicht sogar Vorteile bei kommenden Bietrunden auf die selbe Kategorie ein, sondern aktiviert auch sämtliche anderen bisher ausgelegten Karten in meinem Projekt, die in der selben Kategorie Auswirkungen haben. Häufig ist es nämlich so, dass Karten einer Kategorie bei mehreren Kategorien aktiviert werden können. Optisch wird das durch entsprechende farbliche Balken auf den Karten dargestellt, die man einfach mit dem Auge von links nach rechts durch verfolgen muss. Ersteigere ich also eine Karte, setzt das in Space Race oftmals eine ganze Reihe an Aktionen frei, die ich Runde für Runde (vorausgesetzt ich aktiviere die Kategorie erneut) durchexerzieren kann.
Space Race offenbart dadurch eine ganze Reihe an Entscheidungen und Dingen, die bedacht werden wollen. Gerade in den späteren Runden, in denen das eigene Projekt recht umfangreich geworden ist, gibt es viel zu bedenken. Ziel ist es natürlich stets möglichst viele Aktionen auszuführen und bestimmte Kategorien mehrfach zu aktivieren, und dabei Kettenreaktionen auszuführen.


Zum Ende einer Runde werden Handkarten der Spieler auf Wunsch verdeckt ins Universum gespielt, von denen aber nur eine gewisse Anzahl offenbart wird. Der Rest bleibt bis zur nächsten Bietrunde verdeckt. Das ist insofern interessant, als dass jeder Spieler versuchen muss die eigenen Handkarten möglichst geschickt ins Universum zu spielen. Bleibt meine gespielte Karte im Universum zunächst verdeckt, habe ich einen Wissensvorsprung bei der nächsten Bietrunde. Liegt beispielsweise eine lukrative Propagandakarte offen und habe ich eine ebenfalls lukrative Propagandakarte verdeckt gespielt, kann ich diese unter Umständen günstig erwerben, da für den Rest evtl. das Bieten auf die einzig ausliegende Propagandakarte zu riskant ist, da das Risiko besteht vermeintlich leer aus zu gehen. Cleverer Mechanismus! Wird sie natürlich aufgedeckt, habe ich Pech gehabt. Glück und Pech liegen dann doch eben nah beieinander.

Space Race bietet viel mit wenig Material. Es ist durchaus ein äußerst cleveres, gut durchdachtes und knallhartes Kartenspiel. Mit gefällt in erster Linie neben dem Bietmechanismus, die Art, wie ich Karten in meinem Raumfahrtprojekt wieder und wieder aktivieren kann, sofern ich für die richtigen Karten sorge. Aktionen können beispielsweise dazu führen, dass ich Karten in mein Labor legen und von dort eventuell zusätzlich in Projekt einbringen kann. Aber auch dort lagernde Karten bringen am Ende Siegpunkte. Space Race kann zudem äußerst kompetetiv gespielt werden. Das liegt natürlich hauptsächlich an der konfrontativen Natur des Bietens. Hier liegen nunmal Karten aus, um die es zu kämpfen gilt. Manche Karten bringen auch im Spielverlauf offensichtlich bestimmten Mitspielern mehr als anderen. Hier kann man dann gezielt versuchen zu verhindern, dass dieser Spiele diese Karten bekommt. Das kann unter Umständen anstrengend sein und teilweise auch schwer in Vollbesetzung zu überblicken. Will ich wirklich in einem 4-Spielerspiel den totalen Überblick behalten, muss ich stets die anderen Raumfahrtprojekte im Blick haben. Gerade gegen Ende des Spiels ist das schwer und zieht dadurch natürlich auch die Spielzeit stark in die Länge.


Thematisch hat mich Space Race ebenfalls in seinen Bann gezogen. Ich habe wirklich das Gefühl gehabt mein eigenes Raumfahrtprojekt auf zu bauen. Die eigenen Handkarten sind sozusagen die Ideen, die jeder Spieler zum Thema hat und der Öffentlichkeit kundtut. Wer schlussendlich dann aber den Nutzen aus diesem Gedanken zieht, entscheidet sich in der Bietrunde. Klasse!
Absolut empfehlenswert empfinde ich Space Race für zwei bzw. drei Spieler. Hier bekommt man ein wunderschönes, thematisches und sehr taktisches Kartenspiel. Für vier Spieler ist es mir einen Tick zu lange.

Und dann gibt es auch noch eine Erweiterung! Interkosmos!

Ich nochmal! Ich hatte glücklicherweise die Möglichkeit einen Blick auf die bald auf Kickstarter erscheinende Kampagne für die Erweiterung von Space Race zu werfen, die da heißt: Interkosmos. Wer jetzt also nach dieser Rezension verzweifelt im Netz nach einer Möglichkeit gesucht hat, das Spiel käuflich zu erwerben, dem sei diese Kampagne ans Herz gelegt. Sie startet am 14.11.2017. Link liefere ich spätestens in einer Kickstarternews nach. Doch was bringt eigentlich diese Erweiterung?

Interkosmos bringt zunächst einmal die Möglichkeit eines fünften Spielers (den Chinesen) ins Rennen. Ich persönlich habe ja bereits weiter oben anklingen lassen, dass mir das Spiel am besten mit maximal drei Spielern gefallen hat. Einen weiteren Spieler braucht es für mich also nicht. Andere mögen das anders sehen. Dass man aber nun auch die Chinesen ins Weltall schicken kann ist aber dennoch nett.
Interkosmos bringt zudem eine neue Kartenart ins Spiel, nämlich die Errungenschaften. Das sind hauptsächlich Zielkarten, die nach uns nach ins Universum gespielt werden, auf die man ebenfalls bieten kann und den Spielern zusätzliche Möglichkeiten geben Siegpunkte zu generieren. Für mich ebenfalls nett, aber wäre für mich nicht der Hauptkaufgrund dieser Erweiterung.


Für mich ist der eigentliche Hauptbestandteil von Interkosmos das Szenariobuch. Richtig gehört. Es gibt dann Szenarien, die man spielen kann. Diese orientieren sich an den realen Ereignissen, spiegeln also evtl. bestimmte Gegebenheiten dieser speziellen Epoche wieder. Konkret heißt das: Sonderregeln. So liegen beispielsweise bestimmte große Persönlichkeiten schon zu Beginn eines Spiels im Universum bereit, manche Kartentypen kann man bis Runde XY nicht spielen etc. Interkosmos bringt an dieser Stelle also frisches Blut für all diejenigen, die vielleicht das Basisspiel schon oft gespielt haben und sich noch den ein oder anderen frischen Twist wünschen. Interessant ist es natürlich auch für die Detailliebhaber, denen ein nur lose an die Geschichte angelehntes Spiel dann doch zu inakkurat war.

Interkosmos ist also definitiv einen Blick wert. Fans von Space Race werden vermutlich ohnehin nicht daran vorbei können - nicht zuletzt da die Erweiterung auch noch zahlreiche neue Aktionsmöglichkeiten auf den Karten, sowie schicke neue Zeichnungen mit sich bringt. Für frischen Wind und neue Kombinationsmöglichkeiten wird also gesorgt sein.
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Space Race von Marek Loskot und Jan Soukat
Erschienen bei Boardcubator
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 45 Minuten

sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek oder dem jeweiligen Verlag (hier Boardcubator)