Hallo zusammen. Spontan fallen mir bei Lorenzo il Magnifico zwei Dinge ins Auge. Erstens: Wie kann man einen so thematischen und schicken Titel im deutschen bloß Lorenzo: Der Prächtige nennen (bei fast allen Sprachversionen musste das ja auch nicht sein)? Und zweitens: Schönstes Cover des Jahres. Und da wir ja nun gleich mal die wichtigsten Dinge von Anfang an geklärt haben, kann ich Euch ja mal im Kurzüberblick erzählen, was wir eigentlich hier so machen. Also...
Mit Lorenzo il Magnifico (nein, ich weigere mich die eingedeutschte Version zu nennen) bekommen wir ein Eurospiel der eigentlich klassischen Sorte. Wir finden uns thematisch in der Renaissance in Italien wieder und versuchen sowohl der Kirche zu gefallen, aber auch den Einfluss unserer eigenen Familie zu stärken, indem wir bestimmte Personen auf unsere Seite ziehen, Waren produzieren, Gebäude errichten und allerlei mehr. Ihr merkt schon. Thematisch betrachtet wurde hier das Rad nicht neu erfunden. Muss aber auch nicht. Das Thema kommt auch so ganz gut durch. Dazu später aber mehr.
Mechanisch haben wir hier ein Arbeitereinsetzspiel, in welchem wir jede Runde mit 4 Arbeitern starten. Das Besondere hierbei ist, dass diese Arbeiter unterschiedliche Stärken haben, denn diese sind farbcodiert und deren Stärke wird zu Beginn einer jeden Spielrunde ausgewürfelt. Wichtig: Die erwürfelte Stärke gilt für jeden Spieler am Tisch. Und jeder Spieler hat auch die gleichen farbcodierten Arbeiter. Kein unnötiges Glücksmoment also.
Dieser Mechanismus ist jedoch Dreh- und Angelpunkt des gesamten Spielkonzeptes. Also noch etwas detaillierter: Jede Aktion auf dem Spielplan erfordert den Einsatz eines bestimmten Arbeiters. Grundsätzlich gilt die Faustregel: Je stärker der Arbeiter, umso mehr Optionen habe ich mit ihm, da ich bestimmte Felder überhaupt erst betreten und ausführen kann. In Lorenzo il Magnifico bedeutet das aber nicht zwangsläufig, dass eine Runde mit schwachen Würfeln eine "Saure Gurken Zeit" zur Folge hat, denn ich kann mit Helfern (Ressource im Spiel) meinen Arbeiter aufwerten und höhere Felder betreten.
Was kann ich denn nun eigentlich mit meinen Arbeitern anstellen und wie komme ich an diese so genannten Siegpunkte? Ganz einfach. Grundsätzlich ist das Spiel kartengetrieben. Es gibt eine riesige Auslage an Karten in insgesamt vier Farben. Hierdurch erlange ich manchmal direkt Siegpunkte, bekomme direkte Ressourcen oder andere Vorteile; oder kann mir Produktionsgebäude kaufen. Letztere landen dann auf meiner persönlichen Ablage und können bei einer späteren Aktion aktiviert werden. Aktiviert? Ja, genau. Und zwar alle nacheinander und auf einmal! Starte ich nämlich mit einem Arbeiter die Produktionsphase, durchlaufe ich mein hauseigenes Tableau und handle nacheinander alle Produktionsstätten ab, die mindestens der Arbeiterstärke entsprechen. Boooooooom!
Ok, was gibt es noch? Kein Renaissance-Spiel in Italien ohne die Kirche, richtig? Genau. Natürlich darf ich nicht nur meinem eigenen Vorteil verschrieben sein, sondern muss auch der Kirche gefallen. Hierfür ist es notwendig am Ende der jeweils zweiten, vierten und sechsten (danach endet das Spiel) ein bestimmtes Ansehen (Position auf einer Leiste) bei der Kirche zu haben. Das bringt mir Siegpunkte. Schaffe ich das jedoch nicht, werde ich als gottloser Spieler aus der Kirche geworfen (Funfact: Das kann sogar dreimal passieren), was mir wiederum permanente nicht unerhebliche Nachteile bringt. Ich kann nur soviel sagen: Nicht schön...
Lorenzo il Magnifico hat viel zu bieten und ist knallhart. Wer sich vom schicken Cover und den liebevollen Zeichnungen täuschen lassen will, nur zu! Dahinter versteckt sich nämlich ein knallhartes Eurospiel, bei welchem man seine Gegner ganz schön in die Pfanne hauen kann. Mensch, und wie man seine Mitspieler in die Pfanne hauen kann und zwar in allen Spielerkonstellationen. Kleines Beispiel in einer Zweierpartie? Hier werden manche Aktionsfelder des Spielplans abgedeckt. Klingt zunächst logisch. Dabei gilt es aber zu beachten, dass beispielsweise im Zweierspiel nur noch ein Produktionsfeld zur Verfügung steht. Eins! Mal zur Erklärung: Eine valide Strategie (und auch eine der echt schicken Mechanismen in Lorenzo) ist es beispielsweise eine starke eigene Wirtschaft aufzubauen, sprich eine gute Kombination aus grünen oder gelben Produktionskarten zu errichten. Spielt man allerdings zu zweit, muss man höllisch aufpassen, dass der Gegenspieler nicht einfach das einzige Feld, was zur Produktion berechtigt blockiert. Denn ansonsten gibts diese Runde einfach mal niente, nada bzw. nichts.
Aber auch mit mehreren Spielern ist Lorenzo gemein. Oben habe ich beispielsweise noch nicht erklärt, dass sobald ein Spieler in einer Runde eine Karte einer Farbe gekauft hat, die restlichen Spieler Geld an die Bank zahlen müssen, um überhaupt eine Karte dieser Farbe kaufen zu dürfen. Und das nicht zu knapp.
Lorenzo versetzt mich in eine permanente Konkurrenzsituation mit meinen Mitspielern. Wer ist zuerst bei einem bestimmten Kartenturm und kauft sich die erste kostengünstigere Karte? Wer produziert als erster (oder einziger)? Wer schnappt sich die mächtigen Sofortboni dieser Runde? Ich muss jede Runde abwägen, abschätzen und auch mal ein Risiko eingehen. Es ist enorm wichtig seine Mitspieler im Auge zu haben, um Lorenzo effizient spielen zu können. Nur wer weiß bzw. abschätzen kann, was die Mitspieler als nächstes tun werden, was sie vielleicht garnicht mehr tun dürfen und welche der verschiedenen Optionen nun die beste für mich selbst ist, wird in Lorenzo Erfolg haben.
Die zwar als Variante angegebene Option bestimmte Persönlichkeiten zu Beginn des Spiels zu zuteilen, sehe ich in meinen Runden als festen Bestandteil des Basisspiels an. Hierdurch bekommt der Spieler bereits zu Beginn ein Ziel - eine grobe Richtung auf welche Dinge er im Laufe des Spiels hinarbeiten muss. Zwar erlaubt das Spielen ohne diese Persönlichkeiten mehr Freiraum, da ich selbst bestimmen kann, wie ich meine Siegpunktmaschine aufbauen möchte, aber die Persönlichkeiten zerstören diese Freiheit nicht, sondern bieten nur eine Alternative. Ich kann nämlich entweder auf die Zwischenziele der Persönlichkeiten hinarbeiten und dadurch eine Art Wegweiser haben, der mir dann mächtige Sonderfähigkeiten freihaltet, kann aber auch die Personen völlig ignorieren und in prekären Situationen für wichtige Einmalboni abwerfen und mir gleichzeitig die gewünschte Freiheit erhalten.
Lorenzo il Magnifico ist ein komplexes Eurospiel ohne dabei zu überfordern. Die Optionen im Spiel sind schnell klar. Den Reiz zieht es dabei in erster Linie aus der hohen Interaktion. Der Blockade anderer Mitspieler, den knapp bemessenen Ressourcen und den kniffligen Entscheidungen. Für mich eine Empfehlung, auch wenn ich noch immer mit dem misslungenen deutschen Untertitel hadere. Und das vor allem in allen Spielerkonstellationen.
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Erschienen bei Cranio Creations und auf deutsch bei Asmodee
Für 2-4 Spieler in ca. 90 Minuten