Wer kennt es nicht, das gute alte Risiko-Feeling? Nach und nach mit seinen Armeen die gesamte Welt erobern oder einfach nur geheime Aufträge erfüllen, die einem den Sieg sichern. Dabei massenhaft Armeeminiaturen auf der Weltkarte hin und herschieben und sich tierisch ärgern, wenn das Würfelpech einen trotz deutlicher quantitativer Überlegenheit in den Untergang treibt. Die einen lieben, die anderen hassen es. Für die einen ist es taktisch genau das richtige, für die anderen ein Glückspiel mit leicht taktischer Komponente. Und jetzt kommt mit Risiko Europa auch noch ein „Abklatsch“ hinzu, der wahrscheinlich außer der veränderten Weltkarte nichts zu bieten hat und der vielleicht nur sowas wie ein „Monopoly Frankfurt“ ist…also altes Spiel mit neuen Namensaufklebern.
Stopp! Denn genau das ist Risiko Europa nicht. Genau genommen ist es sogar das krasse Gegenteil. Denn bis auf die Namen einiger Spielkomponenten (Stichwort „Geheimauftrag“ und „Würfel“), hat das Spiel eigentlich nur entfernte Ähnlichkeiten mit dem namensgebenden Klassiker. Und das ist - um einen Teil des Fazits schon mal vorweg zu nehmen – trotz des mittelalterlichen Settings unglaublich erfrischend, statt ganz schön angestaubt.
Aber fangen wir mal am Anfang an: bei den Komponenten. Greift man sich den kompakten Karton fällt einem als erstes das Gewicht auf, das auf viele Komponenten schließen lässt. Und so ist es auch. Individuell gestaltete Armeefiguren der Osmanen, Burgunder, Wikinger und Franken (64 pro Fraktion), ein schönes, großes Spielbrett, schön gestaltete Kronen und Festungen und ein thematisch passender Starspielermarker. Dazu Karten und Pappgeld, Übersichtskarten und die sogenannten Stadtschilder und natürlich das Wichtigste: die Würfel, wenngleich Letztere hier nicht ganz so zentral und spielentscheidend sind, wie im ursprünglichen Risiko.
Das Spiel ist darauf ausgelegt zu viert gespielt zu werden. Mit nur zwei oder drei Fraktionen ist der Spielplan nämlich einfach zu groß, so dass man nur noch neben einander her „siedelt“. Aus diesem Grund greifen bei weniger Spielern die Söldner ein. Diese agieren jede Runde für einen anderen Spieler und zwar, thematisch passend, für den, der sie am besten bezahlt. Die Söldner bestehen dabei aus einer der Fraktionen, die nicht durch die Spieler aktiv gespielt werden. Ein interessanter Kniff, der aber auch noch mehr taktisches Denken von den Spielern fordert, aber eine gute Lösung für das Problem, ein 4-Spieler-Spiel auch mit weniger Personen spielen zu können.
Kommen wir zum eigentlichen Spiel. Anders als beim „großen Bruder“ geht es also darum, Kronen zu sammeln. Diese Kronen erhält man durch das besetzen von Städten in Europa. Jeder Spieler verfügt hierfür über acht Befehlskarten mit jeweils zwei Befehlen (bspw. Einheiten verschieben oder Steuern eintreiben). Von diesen Befehlskarten sucht man sich in jeder Runde zwei aus, die man spielen möchte und legt diese verdeckt vor sich ab. Reihum spielt dann jeder Spieler zunächst seine erste Karte (und wählt hier einen der beiden Befehle aus) und erst dann kommt die zweite Karte zum Zug. Der Effekt ist dabei ein ähnlicher wie beispielsweise bei Colt Express oder auch Robo Rally...man muss versuchen, die Züge des Gegners mitzudenken (ohne natürlich, dass dies auch nur im Ansatz die Komplexität eines Schachspiels erreichen würde). Die gespielten Karten werden abgelegt und kommen erst wieder auf die Hand, wenn man alle Karten einmal durch hat (also nach der vierten Runde), so dass das „Mitdenken“ mit dem Gegner gar nicht mal so schwer ist. Durch die jeweils zwei Befehle pro Karte lässt sich zudem noch auf ungeplante gegnerische Aktionen reagieren.
Neue Einheiten kauft man mit den eingetriebenen Steuern und lässt diese in eigenen Städten oder Festungen starten. Mit dem gleichen Geld darf man aber auch Kronen kaufen und somit quasi auf finanziellem Wege dem Spielziel näher kommen. Besetzt man eine „goldene Stadt“ erhält man zudem deren Stadtschild. Diese bringen weitere dauerhafte Vorteile während des Spiels, wie bspw. kostenlose Einheiten nach bestimmten Aktionen.
Soweit die Unterschiede zum klassischen Risiko. Kommen wir zu den Gemeinsamkeiten:
a) Treffen zwei feindliche Armeen auf einem Feld auf einander, kommt es zum Kampf mit Würfeln
b) Es gibt eine Spielvariante, in der Geheimaufträge eine Rolle spielen
Soweit also die Gemeinsamkeiten zum klassischen Risiko. Widmen wir uns wieder den Unterschieden:
Kommt es zu einem Kampf, greifen die unterschiedlichen Einheiten in einer festen Reihenfolge an. Bei Belagerungsgeräten, Bogenschützern und Reitern gibt es eine Anzahl an Würfeln entsprechend der Anzahl an Einheiten und jeder Spieler Würfel zuerst für eine dieser Einheiten. Wirft man einen Würfel dabei über eine bestimmte Zahl (bspw. bei Reitern mindestens eine 3), gilt dies als Treffer und der Gegner verliert eine Einheit seiner Wahl.
Jetzt werden die Nostalgiker sagen „aber das ist doch gar kein Risiko mehr, sondern Axis & Allies“. Richtig. Aber es macht Spaß und reduziert das reine Würfelglück ein gutes Stück (und es macht das Spiel einfach flüssiger ;).
Aber Hasbro hat all jene, die sich nach dem Altbekannten sehnen, nicht ganz vergessen: Nachdem die drei genannten Einheiten angegriffen haben werden die übrigen Einheiten inklusive der Fußsoldaten addiert und es darf noch einmal gewürfelt werden. Hier greift nun aber das klassische Risiko-Würfelsystem: Der Angreifer hat max. 3, der Verteidiger max. 2 Würfel und die jeweils höchsten Würfel werden verglichen. Jeder Treffer bedeutet eine verlorene Einheit und wenn die Spieler noch Einheiten übrig haben, beginnt das Ganze wieder bei den Belagerungsgeräten und wird solange wiederholt, bis eine (oder auch beide) Armee(n) am Boden liegt (liegen).
Zu guter Letzt (alle Nostalgiker setzen sich jetzt bitte nochmal kurz hin) sind auch die Geheimaufträge nicht mehr das, was sie einmal waren. Nutzt man dieses Spielelement, darf man keine Kronen mehr kaufen, sondern muss sie sich durch das Erfüllen der Geheimaufträge verdienen.
Was bleibt also vom „guten alten“ Risiko noch übrig, außer dem Namen? Nicht wirklich viel. Das ist aber auch nicht wirklich schlimm. Wenn ich das „alte“ Risiko spielen möchte, brauche ich keine neuplakatierte Spielwelt, dann bleibe ich direkt beim Original. Insofern ist Risiko Europa eine wirklich gelungene Weiterentwicklung und Abwandlung des bekannten Klassikers.
Aber nicht falsch verstehen: Noch immer fahren die taktischen Anforderungen in seichten Gewässern und noch immer ist eine nicht zu unterschätzende Glückskomponente an Board. Grundsätzlich ist der Anspruch aber ein gutes Stück gestiegen und Risiko Europa bietet vor allem Gelegenheitsspielern einen schönen Ausblick, wie es ist, komplexere taktische Strategiespiele zu spielen. Mehr nicht. Aber mehr will es auch nicht sein. Von daher: alles richtig gemacht!
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Risiko Europa Erschienen bei Hasbro
Für 2-4 Spieler in ca. 120 Minuten
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