In Inis übernehmen wir die Rollen von Stammältesten, die versuchen zum König des Landes gewählt zu werden. Dabei müssen wir eine von drei Siegbedingungen (militärische Überlegenheit, religiöse Herrschaft oder dominante Ausbreitung) erfüllen.
Gespielt wird mit Handkarten, welche die möglichen Aktionen auf dem sich entwickelnden und modular aufgebautem Spielbrett vorgeben. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob ich mich militärisch durchsetzen möchte, oder ob ich versuche friedlich zu koexistieren.
Die bestimmenden Aktionskarten werden gedraftet und schlussendlich in abwechselnder Reihenfolge von den Spielern ausgespielt. Habe ich eine der Siegbedingungen erreicht, kann ich per Aktion mich für die Ermittlung des Siegers am Rundende qualifizieren - sofern ich sodann diese Bedingung immer noch erfüllt haben sollte.
Hauptgedanke des Spiels ist es aber, dass beim Erreichen der Siegbedingung von mehreren Spielern gleichzeitig, kein Spieler gewinnt, bzw. nur der Spieler, der entweder mehrere Siegbedingungen gleichzeitig erfüllt hat, oder sich in einer anderen Weise für den Sieg qualifiziert hat (z. B. durch das Kontrollieren der Hauptstadtregion).
Inis ist erfrischend anders. Anders genial. Das fängt bereits mit einem mutigen, aber zugleich wundervollen und abgedrehten Grafikstil aus keltischer Mythologie gepaart mit flippiger Tarotkartenoptik an, der sich vom Cover über die einzelnen Planteile bis hin zu den Markern zieht - schlussendlich aber sein Meisterwerk in den Aktionskarten findet, welche jede für sich Kunstwerk genug ist, um in einer alternativ, modernen Kunstausstellung jedes Museums zu Recht seinen Platz zu finden. Wer Inis nicht alleine aufgrund seiner einzigartigen Optik in seine Spielsammlung aufzunehmen gedenkt, der ist schlecht beraten.
Aber auch spielerisch bindet sich der neue Titel wunderbar in die "Großen Drei" der letzten Jahre von Matagot ein. Kyklades, Kemet, Inis. Die Franzosen haben es hier de facto geschafft nicht nur historische Szenarien mit der jeweils passenden Mythologie gekonnt in Einklang zu bringen, sondern dabei auch gezielt spielerische Leckerbissen produziert, welche angefangen vom Material, der Optik, bis hin zum Spielgefühl perfekt aufeinander abgestimmt sind; und so nicht nur jeweils für sich, sondern auch in der Gesamtbetrachtung aller drei, ein stimmiges und feines Miteinander darbieten.
So zeigt auch Inis ein einzigartiges Spielgefühl, welches - vorausgeschickt - jedoch sicherlich auch nicht für jedermann gemacht sein wird. Zuerst sei da der Draftingmechanismus erwähnt, welcher zwar derzeit in aller Munde ist und teilweise vielleicht sogar inflationär in den modernen Spielen verwendet wird. In Inis schafft es der Designer jedoch mit Hinzufügen eines kleinen, jedoch durchaus wichtigen Twists, den Mechanismus abzuändern, aufzufrischen und damit schlussendlich einzigartig und äußerst interessant zu machen. Die Möglichkeit des sich in der Anzahl steigernden Draftings und damit auch der Möglichkeit während der Draftingrunden unmittelbar zuvor getroffene Entscheidungen zu revidieren, verpasst dem Mechanismus eine ganz neue Dimension, als dass er dem Spieler deutlich mehr Flexibilität gewährt. Ich bin nicht an die Entscheidung meiner ersten gezogenen Karte gebunden und muss im Zweifel die anfangs für mich bestimmte Taktik fortführen, sondern habe die Möglichkeit mich an die mir neu gegebene Hand völlig neu anzupassen. Ist die anfangs angedachte Strategie mit den neu erhaltenen Karten noch sinnvoll? Möchte ich meinem Folgespieler vielleicht gewisse Karten vorenthalten? Was kann ich aus den mir überlassenen Karten bezüglich der Strategie meines Sitznachbarn schließen?
Das Kartenspiel in Inis ist Herz und Seele des Spiels zugleich. Alles funktioniert in Inis hierüber. Der Fakt, dass mit Hilfe nur ganz bestimmter Karten gewisse Aktionen überhaupt möglich sind, und selbige teilweise nur einmal bzw. insgesamt nur in sehr begrenzter Anzahl enthalten sind, macht Inis zu einem Taktieren in Perfektion. Man fühlt sich unweigerlich wie ein Löwe, der um seine Beute herumtänzelt und auf die perfekte Situation wartet, sie zu erlegen. Die Anzahl der Angriffskarten ist so beispielsweise begrenzt. Man weiß anhand des Draftings zwar in etwa, wer welche Karten haben könnte, sicher kann man sich jedoch nie sein. Kann mein potentielles Angriffsziel überhaupt zurückschlagen? Oder kann er vielleicht sogar meine Aktion negieren? Das macht Inis zu einem spannenden und äußerst aufregenden Erlebnis. Welche Aktion schicke ich voraus? Was ist mein Ziel in dieser Spielrunde? An welcher Stelle macht es Sinn vielleicht zunächst zu passen und auf die Aktionen der Mitspieler zu reagieren? Wo ist es wichtig, dass ich den ersten Schritt mache?
Doch dann gibt es noch die roten Sonderkarten in Inis. Diese können unter Umständen zwar auch den best durchdachtesten Plan zu Nichte machen, sorgen aber für den Schuss extra Würze im Spiel, welches diesen, und das sei unbedingt angemerkt, aber nicht zwangsläufig benötigt. Denn auch ohne diese Karten wäre Inis durchaus ein grundsolides und gutes Spiel. Mit den roten Sonderkarten wird aus Inis jedoch ein einzigartiges, hervorragendes Spiel. Unbezahlbar sind an dieser Stelle einfach die Blicke der Gegenspieler, wenn mit einer einzigen Karte plötzlich ein sicher geglaubter Sieg abgerungen wird, oder aber aus der ursprünglich sicher geglaubten Eroberung plötzlich nichts wird.
Inis ist ein äußerst strategisches, kommunikatives, wunderbar gestaltetes und äußerst emotionales Spiel, welches ziemlich schnell im Laufe einer Partie an Fahrt aufnimmt und zu Spielsituationen führt, die das Ende des Spiels bedeuten können. Denn die Siegbedingungen sind schnell erreicht - auch für mehrere Personen. Und dadurch, und das wissen wir spätestens seit Highlander, dass es nur Einen geben kann, entwickelt sich Inis schnell zu einem unbarmherzigen Hauen und Stechen, bei dem es, wie in einem Mühle-Spiel, gilt, die Pattsituationen stückchenweise so für sich zu gestalten, dass letzten Endes die Gegenspieler keine Optionen mehr haben, den eigenen Sieg zu verhindern. Das ist vermutlich auch der Part in Inis, der, wie eingangs erwähnt, Inis nicht zu jedermanns Liebling werden lässt. Denn diese Pattsituationen führen wie von selbst zu einer permanenten "Königsmacher-Bedrohung", welche spätestens ab Runde drei über Inis wie ein Damoklesschwert hängt.
Anders hierbei ist jedoch, dass in Inis die Chancen auf einen Sieg nie wirklich dahinschwinden können und somit jeder Spieler innerhalb weniger Runden die Möglichkeit hat, sich in den Kreis der Bewerber um den Sieg aufzusteigen. In der Tat ist es sogar so, dass es teilweise tendenziell zu empfehlen ist, sich geschickt im Hintergrund zu bewegen, um schlussendlich dann unbemerkt an den derzeit scheinend führenden vorbeizuziehen. Eine Gefahr, dass ein Spieler in einer solchen "Königsmacher-Situation" daher das Spiel zu seinen Ungunsten aufgibt, ist praktisch nicht gegeben. Vielmehr führen diese Situationen zu weiteren schönen interaktiven und zuweilen äußerst kommunikativen Partien, bei welchen beispielsweise unter Umständen gezielt in Spielrunden gepasst wird, um ein Agieren eines bestimmten Spielers zu erzwingen, und somit gleichermaßen seine Aktionen zum eigenen Vorteil zurückhalten zu können. Ich fühlte mich in solchen Situationen bei Inis gerne und oft an die Krisenphasen in Archipelago und die damit verbundenen Räuberpistolen erinnert. Und selbiges Spiel zählt definitiv zu einem meiner absoluten Lieblinge.
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 90 Minuten
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sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek oder dem jeweiligen Verlag (hier Pegasus)
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Erschienen bei MatagotFür 2 bis 4 Spieler in ca. 90 Minuten
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