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14.09.2016

Der Herr der Ringe LCG - Deckbau für Solisten


Zunächst muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich kein einziges Buch von Tolkien gelesen habe. Und das nicht weil ich nicht wollte: Ich erinnere mich daran, wie ich mir den Sammelband der Ringe Trilogie in der örtlichen Bücherei auslieh und mit Ach und Krach die ersten Seiten las. Ich hatte die Gefährten im Kino gesehen und war begeistert. Jedoch konnte meine Neugier auf den Ausgang der Geschichte, meine Faulheit mich in das Buch und dessen Sprache hineinzuversetzen nicht bezwingen und so brachte ich das Buch enttäuscht zurück.
Als ich dann später die zwei Türme sah, ging ich erneut zur Bücherei, öffnete dasselbe Buch, diesmal mit dem Gedanken erwachsener und geduldiger geworden zu sein…stellte es dann aber wieder in das Regal; Ich bin wohl einfach zu bequem was Unterhaltung angeht.
Umso glücklicher war ich als schließlich Die Rückkehr des Königs anlief und meine Neugier nach 3 langen Jahren gestillt wurde.
Bis heute habe ich die Bücher nicht gelesen, die Streifen gehören aber zu meinen Lieblingsfilmen und die Welt von Mittelerde begeistert mich immer wieder aufs Neue.
Ich muss also an dieser Stelle all diejenigen enttäuschen, die wissen möchten in wie weit die Geschichten aus dem Kartenspiel sich an die Geschichten in den Romanen anlehnen, dazu kann ich leider nichts sagen.
Kommen wir aber nun zum Wesentlichen: Das Herr der Ringe Kartenspiel von Fantasy Flight Games ist wie sein Artgenosse Android Netrunner ein sogenanntes „Living Card Game“ oder LCG. Das bedeutet, dass das Spiel ständig erweitert wird, die Erweiterungen aber im Gegensatz zu einem Sammelkartenspiel á la Magic oder Pokémon, nicht in Boostern (das sind diese Kartentütchen mit ca. 10 Karten), sondern in Form von kleinen und großen Paketen erscheinen und neue Abenteuer und Charaktere beinhalten. Der größte Unterschied zu einem Sammelkartenspiel ist jedoch, dass der Inhalt der Erweiterung bekannt ist und es nicht auf das Glück beim Kauf ankommt. Vereinfacht gesagt: „Bei einem LCG, weiß man immer welche Karten in welchem Paket stecken“.
Zudem ist Der Herr der Ringe – Das Kartenspiel kein kompetitives Spiel. Das heißt, dass man nicht gegen seine Freunde, sondern gegen das Spiel selbst spielt. Dies kann man alleine oder kooperativ, wobei das Basisspiel maximal zu zweit gespielt werden kann.


Inhalt
Das Basisset beinhaltet:
·         1 Spielanleitung
·         12 Heldenkarten
·         10 Abenteuerkarten
·         120 Spielerkarten
·         84 Begegnungskarten
·         2 Bedrohungszähler (Spielertableau)
·         40 Schadensmarker
·         26 Fortschrittsmarker
·         30 Ressourcenmarker
·         1 Startspielermarker
·         1 Aufbewahrungsbeutel für Marker

Komponentenqualität
Im Regelwerk konnte ich keine Rechtschreib- oder Übersetzungsfehler finden, was den einen oder anderen Leser dieser Rezension u.U. nicht verwundert. In einigen Fällen musste ich leider das FAQ im Internet zu Hilfe nehmen, da diese im Regelwerk entweder umständlich erklärt oder überhaupt nicht vorhanden waren.
Die Karten sind im Vergleich zu Netrunner etwas rauer bzw. matter, haben dadurch zwar einen besseren Grip sind aber auch weniger fett- bzw. feuchtigkeitsabweisend. Deshalb rate ich zu Schutzhüllen.
Die Marker sind aus solider Pappe und die Spielertableaus haben bewegliche Zahlenfelder.
Der Aufbewahrungsbeutlin *hehe* ist aus Kunstleder und ist die qualitativ hochwertigste Komponente in einem Spiel, die ich jemals gesehen habe.

Artwork
Das Artwork der Karten und Marker lehnt sich im Gegensatz zu dem Herr der Ringe Sammelkartenspiel nicht an die Filme an. Wer beispielsweise einen blonden Legolas erwartet wird überrascht. Die Karten und Marker sind allesamt handbemalt und fangen die meist düstere Atmosphäre von Mittelerde sehr gut ein.
Auf den meisten Karten finden sich Zitate aus einem der Tolkien Romane wieder, die ebenfalls zur Atmosphäre beisteuern. Die Texte auf den Karten sind gut lesbar und fehlerfrei ins Deutsche übersetzt, was besonders lobenswert ist, da diese nochmal nachgeschlagen werden mussten.
Alles in Allem haben sich die Mädels und Jungs von Fantasy Flight Games sehr viel Mühe mit den Komponenten und dem Design gegeben. Die Liebe zum Detail ist dem Spiel nicht von der Hand zu weisen.


Spielmechanik

Das Ziel des Spiels ist es, eines der ausgewählten Abenteuer zu bewältigen und auf dem Weg dorthin den Bedrohungsmarker nicht über einen bestimmten Wert kommen zu lassen. Dabei hat jedes Abenteuer eine Hintergrundgeschichte, einen Schwierigkeitsgrad und ein bestimmtes Set von Bedrohungskarten.
Bevor ein Aenteuer angetreten werden kann, muss jedoch ein Kartendeck zusammengestellt werden. Um den Einstieg zu erleichtern, bietet das Spiel bereits vorgefertigte Decks an die erstmal ausprobiert werden können, um ihre Eigenschaften kennenzulernen. Denn die meisten Karten lassen sich zu sogenannten Einflusssphären zuordnen. Diese haben nicht nur Einfluss auf die Zusammenstellung des Decks sondern auch auf den Fähigkeitsschwerpunkt der Sphäre. Dabei wird in folgende Kategorien unterscheiden:
·         Führung: Verstärkungseffekte für Helden und Verbündete (Violett)
·         Wissen:  Ressourcenmanagement, Heilung der Helden und Abwendung des Übels (Grün)
·         Geist: Positive Effekte für Willenskraft und Beschleunigung des Fortschritts (Blau)
·         Taktik: Verstärkung im Kampf und Ausrüstung (Rot)
Dabei empfiehlt das Spiel sich ein Deck aus 2 bis 3 Farben und mindestens 50 Karten, wovon 3 Heldenkarten sein müssen zusammenzustellen. Hierbei ist wichtig zu wissen, dass die Helden einer bestimmten Farbe nur die Aktionskarten ihrer Farbe nutzen können. Das heißt je bunter das Deck desto höher das Risiko keine Karten spielen zu können.

Die Heldenkarten haben neben ihrer Einflusssphäre ebenfalls einen Einfluss auf die Bedrohungszahl, die auf dem Spielertableau vermerkt wird. Zum Spielbeginn werden die drei Helden ausgelegt, ihr Bedrohungswert summiert und auf dem Spielertableau vermerkt.



Dieser Wert ist der Bedrohungswert mit dem der Spieler beginnt und nach jeder Runde um 1 erhöht wird. Dabei besteht jede Runde aus den folgenden 7 Phasen:

Ressourcenphase: Jeder Spieler zieht 1 Karte und fügt jeder Heldenkarte 1 Ressource hinzu.

Planungsphase: Jeder Spieler kann nun Handkarten ausspielen und seine Helden ausrüsten oder verstärken.

Abenteuerphase: Jeder Spieler wählt die Helden, die sich dem Abenteuer stellen sollen. Woraufhin pro Spieler eine Karte vom Begegnungsdeck (Das sind die Karten des Bösen) aufgedeckt werden. Die Willensstärke dieser Helden wird summiert und gegen die Willensstärke der Feinde verrechnet. Die Differenz daraus gibt den Fortschritt im Abenteuer an. Ist die Willensstärke der Helden zu gering, erhöht sich die Bedrohung um die Differenz. Hierbei ist es wichtig zu wissen, dass die Helden, die sich einem Abenteuer stellen, nicht mehr an den in dieser Runde folgenden Kämpfen teilnehmen können.

Reisephase: Die Spieler wählen einen ausliegenden Ort aus, zu dem sie reisen möchten. Dieser wird über das aktuelle Abenteuer gelegt und muss überwunden werden, bevor das Abenteuer fortgesetzt werden kann.

Begegnungsphase: Die Spieler können nun die Ausliegenden Orks, Uruk-hai, Spinnen und alle anderen uns bekannten Gegner in einen Kampf verwickeln.

Kampfphase: Hier werden alle Effekte abgehandelt und der Abwehr bzw. Angriffskraft entsprechend Schadenspunkte verteilt.

Auffrischungsphase: Alle Helden die sich einem Abenteuer stellten, stehen nun wieder zur Verfügung. Der Bedrohungsmarker wird erhöht und der Startspieler gewechselt.

Wie aus dem Spielablauf ersichtlich wird, besitzt das Spiel eine Art Timer, der im Falle des Ablaufs zur Niederlage führt. Dies zwingt den Spieler jeden seiner Züge genau zu planen, denn er weiß nicht, was ihn als nächstes erwartet und ob seine verbleibenden Helden und Verbündeten der Herausforderung gewachsen sind.


Fazit
Zunächst muss ich anmerken, dass ich das Spiel nur kooperativ und noch nicht solo gespielt habe!
Fantasy Flight haben es mal wieder geschafft mich mit einem Kartenspiel zu begeistern. Obwohl ich nichts anderes mache als Karten in einen anderen Winkel zu drehen und Marker hin und her zu bewegen, fühle ich mich wie der Anführer meiner Helden und hänge an jedem einzelnen von ihnen. Jede meiner Handlungen hat Bedeutung und muss gut überlegt sein. Ich kann mich kopfüber in den Kampf stürzen oder geschickt um die Bedrohung herumschleichen. Wie ich das Abenteuer angehe bleibt mir überlassen und das ist eine Freiheit die ich sonst nur aus Spielen wie Winter der Toten oder Arkham Horror kenne.
Das Spiel bringt den Spieler ständig in scheinbar ausweglose Situationen, die durch die wachsende Bedrohung („Zeitdruck“) zusätzlich intensiviert werden. Umso heldenhafter fühlt man sich dann, wenn man endlich ein Abenteuer bewältigt hat und sich in seiner Spielweise mit dem eigens zusammengestellten Deck bestätigt fühlt.
Die Abenteuer sind abwechslungsreich und thematisch. Die Anweisungen auf den Karten erzeugen ein glaubwürdiges Verhalten der Gegner. Beispielsweise das Abenteuer „Reise den Anduin hinab“, in dem die Gegner sich an den Ufern sammeln aber die auf dem Fluss fahrenden Boote nicht angreifen können.
Wer sich durch den sehr hohen Schwierigkeitsgrad nicht abschrecken lässt und gerne Kartendecks zusammenstellt, denn das ist spätestens ab dem 2. Abenteuer nötig, wird mit dem DHDR – Das Kartenspiel sehr viel Spaß haben. Leider muss man sich in die Regeln etwas einarbeiten und einige fehlende Erklärungen im Regelwerk trüben das Erlebnis etwas. Nach einer gewissen Einspielzeit, sind diese Probleme aber schnell vergessen und den Gefährten steht nichts im Wege.
Zudem ist DHDR – Das Kartenspiel das einzige kooperative Deckbauspiel das ich kenne. Das Alleine war für mich schon einen Blick wert. Ich habe es bis heute nicht geschafft meine Freundin, mit der ich die meisten unserer Spiele spiele, für Netrunner zu begeistern, wohingegen sie bei DHDR sofort begeistert war und sich sogar ein Deck zusammengestellt hat (was bei Netrunner sonst immer ich übernehmen musste). Wenn das kein Pro-Argument ist, dann weiß ich auch nicht.

Der Herr der Ringe: Das Kartenspiel von Nate French
Erschienen bei Fantasy Flight Games
Für 1 bis 2 Spieler in ca. 60 Minuten
Boardgamegeek Link

sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek oder dem jeweiligen Verlag (hier Fantasy Flight Games)