Naja eigentlich habe ich ne ganze Weile gebraucht um The Battle at Kemble´s Cascade in meinen Spieleschrank zu lotsen. So richtig sicher war ich mir nicht, ob hinter dem optisch so innovativ wirkenden Titel auch ein passables Spiel stecken könnte, oder ob es mehr so ein "Ganz netter Mechanismus, spannend zu beobachten, aber nix für die Dauer" -Effekt sein würde. Schon auf der Messe 2014 ist mir das Ding aufgefallen. Mitgenommen habe ich es aber dann doch nicht. Später dann bereut und endlich dann doch gekauft. Hat sich das Warten gelohnt?
Zugegeben: Wer steht nicht auf die alten Arcade-Shooter auf dem Atari oder in den Spielhöllen um die Ecke, in welche wir den Bärenanteil unseres monatlichen Taschengeldes gepumpt haben. So Dinger waren dann am Ende doch viel cooler als der All-time-Klassiker Pacman oder Tetris. Als es dann plötzlich irgendwann hieß "Es soll ein Brettspiel geben, welches genau diese Art von Spiel simuliert" war ich zunächst verwirrt. Erstaunt war ich dann aber wenig später, als ich gesehen habe wie The Battle at Kemble´s Cascade der Herzstück - den Scrollmechanismus - aufs Spielbrett übertragen will. Also Helme auf, Laserkanonen auf 20 Grad und Feuer frei!
Wir sind Piloten eines eigenen Raumschiffes, was zunächst nur mit einer echt mickrigen Waffe und einem uralten Zielfernrohr ausgestattet ist. Während wir so durch die Galaxis fliegen, treffen wir auf gegnerische Raumschiffe, Wurmlöcher, Asteroiden, Alienrassen, Minibosse, schwarze Löcher, Händler, Singularitäten, Energiefelder [....] und schließlich sogar auf einen ultimativen Endboss, welchen es im finalen Kampf zu erledigen gilt. Ziel des Spiels nicht etwa zu überleben, sondern Siegpunkte zu sammeln. Und das im besten Fall besser als alle anderen Mitspieler. Von der Prämisse zu überleben, sollte man sich nämlich schon jetzt verabschieden. In The Battle at Kemble´s Cascade werden wir alle sterben! Früher oder später. Keine Sorge. Wir haben unendlich viele Zusatzleben.
Siegpunkte gibt es für allerlei. Erfüllte Missionen (z. B. schieße besonders viele Gegner in einem Zug ab), das Zerstören bestimmter Objekte in der Galaxie oder Schadenspunkte auf den Endboss. Die lukrativste und damit zugleich interaktivste Möglichkeit Punkte zu ergattern, ist jedoch das zerstören der Schiffe der Mitspieler. Stirbt nämlich ein Kandidat, bekommt jeder Gegenspieler mindestens zwei Siegpunkte. Habe ich besonders viel zur Zerstörung beigetragen, erhalte ich wertvolle Zusatzpunkte, welche am Spielende entscheidend sein können. Denn im Spiel gilt: Es zählt jeder Punkt!
Mechanisch ist The Battle at Kemble´s Cascade simpel. Nachdem eine Zugreihenfolge anhand von Initiativkarten bestimmt wurde, hat jeder Spieler in seinem Zug die Wahl zwischen einer Kampf- und Bewegungsphase oder einer Ausruh- und Kaufphase. Während man sich in erstgenannter bewegt und kämpft, kauft und ruht man sich in letzterer eben aus.... logisch, oder? Die Auswahl an neuer Schiffsausrüstung ist groß. Wähle ich den kampferprobten Flammenwerfer, der zwar günstig ist, aber nur auf kurze Distanz feuern kann? Oder wähle ich doch die teure Gammakanone, welche mal eben durch sämtliche Objekte in der ganzen Reihe feuert, aber dafür nur geringen Schaden austeilt? Kaufe ich den Generator, welcher es mir erlaubt länger zu kämpfen ohne sich ausruhen zu müssen oder doch lieber das erweiterte Zielfernrohr, welches mir das kostenlose Neujustieren der Bordkanonen erlaubt? Die taktischen Möglichkeiten sind nicht nur hier groß.
Was bleibt im Kopf bei The Battle at Kemble´s Cascade? Genau das, was ich in der Kurzzusammenfassung noch nicht erwähnt habe. Man soll nämlich das Beste zum Schluss nennen (alte Rhetorikschule) - der Scrollmechanismus. Das "Brett" besteht nämlich aus horizontal übereinander gelegten Pappschiebern, auf welchen die Galaxie in Form von Karten ausgelegt wird. Am Ende einer jeden Runde wird dann die unterste Reihe einfach abgeräumt, sich dort befindliche Spielerraumschiffe nach vorne geschoben und ganz oben eine neue Reihe angelegt. Genial! Nicht nur, dass es das Scrolling eines Computerspiels perfekt simuliert, sondern dadurch auch eine echte Innovation bringt. Wir sind immer auf der Suche nach neuen Mechanismen im Brettspielsegment. Viele werden einfach nur erweitert, aufgefrischt oder verändert. The Battle at Kemble´s Cascade schafft jedoch mal eben so einen komplett neuen und noch dazu aus einem thematischen Ursprung heraus. Ich bin ehrlich begeistert!
Was jedoch dazu erleichtert ist, dass das Spiel auch in allen anderen Punkten überzeugen kann. Was zunächst die Angst schüren könnte, dass lediglich der Mechanismus trägt und dahinter eine echte Flaute stecken könnte, ist schnell ad acta gelegt, wenn man die ersten Partien hinter sich hat. The Battle at Kemble´s Cascade spielt sich schnell, fast in jeder Spielerkombination gleich stark (wobei mir die etwas interaktivere Konstellation mit entweder 3 oder 5 Spielern am besten gefallen hat) und bietet permanente taktische Entscheidungen. Wie positioniere ich mein Schiff um in den Folgezügen meine Energie perfekt zu nutzen? Wann ruhe ich mich aus? Macht es gerade jetzt Sinn möglichst früh in der Spielerreihenfolge zu sitzen oder kann ich warten?
Einziger Kritikpunkt sind die teilweise nicht immer gleich einfach zu erledigenden Missionen und Zwischenziele. Hier spielt zum Teil auch das Nachziehglück eine große Rolle (gerade beim Ziehen der Initiativkarten). Alles jedoch Kritikpunkte, die zu verschmerzen sind, wenn man die kurze Spieldauer und die thematische Dichte des Spiels betrachtet.
Alles in allem also ein echter Geheimtipp von mir für Euch von der Messe 2014! Hab ich eigentlich erwähnt, dass es riesige Endbosse gibt? Riiiiiiiiiiiiiiiiiesige Endbosse?? Und eigentlich gibt es noch so viel mehr, aber das findet Ihr am besten selbst raus, denn bei den klassischen Shootern war es doch auch immer am schönsten, dass man nicht wusste, was am Bildschirmrand lauert, oder?
Erschienen bei Z-Man Games
Für 1 bis 5 Spieler in ca. 75 Minuten
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