Messehalle Essen 24.10.2013:
9:30 Uhr: Eine Gruppe von
Personen schachert um die besten Plätze am Eingang
9:50 Uhr: Die Masse wird unruhig.
Gleich öffnen die Tore
9:59 Uhr: Der Countdown für die
letzte Minute läuft
10:00 Uhr: Die Tore öffnen. Die
Massen stürmen die Hallen
10:15 Uhr: Patchistory von
Deinko ist ausverkauft
Umso glücklicher war ich, dass
ich eins der nur 50 Exemplare mein Eigen nennen konnte.
Die Box stabil, das Artwork
ansprechend, das goldene Label "Limited Edition" leicht erhaben.
Vorfreude machte sich breit, als ich die Packung öffnete. Der Inhalt dann
weniger ansprechend. Pappcounter für Siegpunkte, Geld und Gebäude in
Prototypenqualität. Das Regelbuch zwar in englisch, aber aufgrund der mäßig bis
schlechten Übersetzung hätten die Jungs von Deinko es auch einfach beim koreanischen belassen können. Nur gut, dass es Boardgamegeek gibt.
Denn hier empfehle ich dringend die Regelneufassung eines Spielers
herunterzuladen. Die dem Spiel eigentlich beigelegte Regel dient im Anschluss
daran bestenfalls als Sammlerstück - oder Brennstoff für den Wohnzimmerkamin.
Und wo wir gerade bei Tipps sind: Bitte unbedingt die Landkarten eintüten, wenn
man Patchistory mehr als einmal spielen möchte. Ich erlaube mir an
dieser Stelle mal Schleichwerbung: Die "squared sleeves" von Fantasy
Flight Games passen perfekt. Sind sämtliche Vorbereitungen getroffen, kann
es dann auch endlich an den Spieltisch gehen.
Patchistory faszinierte
bereits vor dem Erscheinen mit einem bisher einzigartigen Mechanismus. Noch nie
gab es ein Zivilisationsspiel, in welchem man seine eigene Landkarte anhand
einzelner Landschaftsplättchen selbst zusammenbasteln konnte. Die Frage, ob der
Mechanismus auch praktikabel ist, musste sich erst noch herausstellen.
Vom Grundgerüst gliedert sich Patchistory
in bekannte Muster eines Zivilisationsspieles ein. Wir spielen über drei
verschiedene Zeitalter, in welchen wir friedliche Wege, aber auch militärische aggressive
Wege gehen können. Beide Optionen sind interessant und fordernd. Am Ende des dritten Zeitalters treten wir dann vor eine
übergeordnete moralische Instanz, welche entscheidet, ob unser Weg der richtige
war - ergo die meisten Siegpunkte eingebracht hat. Unser Handwerkszeug sind 6
verschiedene Ressourcen, über welche wir permanent recht umständlich Buch
führen müssen und welche wir in den unterschiedlichen Phasen einer Runde zu
Dingen wie Diplomatie, Aggressionen, Bewegung, Handel, Politik oder
Infrastruktur einsetzen können. Dieses Füllhorn an möglichen Aktionen wird,
Gott sei Dank, auf dem beigefügten Sichtschirm sehr übersichtlich aufgeführt.
Soweit hört sich das noch nach klassischem Zivilisationsaufbau an.
Zwei Mechanismen treten jedoch
bei Patchistory hervor, welche aus einem normalen Zivilisationsspiel ein
besonderes, einzigartiges Zivilisationsspiel werden lassen. So erinnern geheime Ziele und damit verbundene Siegpunkte fast ein wenig an Archipelago und geben dem Ganzen einen kleinen Schuss Deduktion.
Der zweite Mechanismus, der Patchistory
von anderen Zivilisationsspielen abhebt, ist der des "patchens".
"Patchen" - Patchistory. Klingelt´s? Durch neue Landschaftskarten wird die eigene Produktion der sechs Rohstoffe
völlig frei durch die Spieler bestimmt. Da die Landschaftskarten nicht nur
Rohstoffe, sondern auch Helden und Wunder mit Spezialfähigkeiten aufzeigen, sind
der Entwicklung der eigenen Zivilisation und der eigenen Ausrichtung fast keine
Grenzen gesetzt. Tatsächlich hat man das Gefühl ein großer Anführer einer Zivilisation zu sein, der losgelöst von allen Instanzen nach eigenen Maßstäben über die Zukunft seines Volkes entscheidet.
Beim ründlichen Bieten der Spieler auf die neu ausgelegten
Landkarten spielen jedoch mehr Gedankengänge eine Rolle, als zunächst vermutet, sodass viel Gedankenschmalz und damit auch Zeit in diese Spielphase investiert werden muss.
Die eigene Zivilisation als
Flickenteppich. Was so lapidar klingt, ist die uneingeschränkte, unbezweifelte
Stärke von Patchistory. Die eigene Zivilisation ist völlig frei in der
Gestaltung. Das in Zivilisationsspielen oftmals aufgezwängte Korsett an
Entscheidungen, welche unabhängig vom Spielverlauf auf jeden Fall getroffen
werden müssen, ist bei Patchistory auf ein Minimum beschränkt. Es steht
so jedem Spieler völlig frei wie und in welche Richtung er sich
weiterentwickeln will, denn viele Wege führen zum Sieg. So ist sowohl eine Strategie,
welche auf Politik und die damit verbundene Dominanz in den drei Endwertungen
ausgerichtete erfolgsversprechend, eine Strategie mit vielen Helden und
Wundern, als auch eine auf Militär ausgerichtete, kriegerische Strategie,
welche sich im Zweifel an den Siegpunkten der unterjochten Gegenspieler bedient.
Verschweigen darf man dabei
jedoch nicht, dass eine militärische Übermacht eines Gegenspielers nicht
vollkommen unberücksichtigt bleiben darf. Ist erst einmal das Militär eines
Gegenspielers übermächtig und verfügt dieser über die entsprechenden
notwendigen hohen Werte im Transportbereich, kann es schnell zum wiederholten
Siegpunktverlust kommen. Will man nicht als Siegpunktselbstbedienungsladen für
diesen Spieler enden, so muss man zwangsläufig ebenfalls etwas ins Militär
investieren. An dieser Stelle hätte ich mir eine diplomatische Lösung im Spiel
gewünscht.
Patchistory macht Lust auf mehr.
Es sollte nur eine Frage der Zeit sein, bis der Hauptmechanismus des Spiels
sich auch in anderen neuen Titeln wiederfindet. Interessierte dürfen sich im
Übrigen auf eine Neuauflage eines amerikanischen Verlages im März/April 2014
freuen.
Patchistory von Yeon-Min Jung und Jun-Hyup Kim
Erschienen bei Deinko
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 160 Minuten
Boardgamegeek-Link
Erschienen bei Deinko
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 160 Minuten
Boardgamegeek-Link