Bluffspiele sind ja eigentlich nicht so meins. Reine Kartenspiele eigentlich auch nicht. Irgendwie klang Steam Noir Revolution aber trotzdem interessant. Vielleicht weil es einfach so anders von der Mechanik klang, als das derzeit so bekannte auf dem Markt. Was letztlich den Ausschlag gab, werde ich wohl nie herausfinden. Plötzlich lag es dann aber in meinem virtuellen Warenkorb und wenige Tage später auf meinem Spieltisch.
Da es sich um ein Bluffspiel handelt, wurden die
Karten noch mal eben schnell eingetütet. Maßarbeit! Gerade so eben ging die
Packung noch zu. Da der Spieleabend kurz bevorstand, wollte ich mir noch
schnell die Regeln durchlesen. Fehler. Nach der gut 10 minütigen Lektüre war
ich genauso schlau wie vorher. Das lag aber weniger an der Anleitung. Die ist
super. Nicht falsch verstehen. Sondern vielmehr am dort beschriebenen Ablauf.
Egal! Da die Zeit knapp war, musste Steam Noir Revolution einfach so in
die Spieletasche gesteckt werden. Da es eh nur als Absacker gedacht war, würde
ich dann einfach spontan entscheiden die Regel vor Ort nochmal durchzublättern.
Und vielleicht brauchen wir den Absacker ja auch gar nicht. Schließlich habe
ich noch einige weitere eingepackt.
Bereits wenige Minuten nach meiner Ankunft am Austragungsort des Spieleabends das übliche neugierige in die Tasche schauen durch die Mitspieler. "Oh Felix Mertikat. Die Comics kenne ich. Da gibt es jetzt ein Spiel von? Cooooooooool.". Und schon kamen wir an Steam Noir Revolution als Absacker nicht herum. Das heißt also nochmal die Regel durchforsten. Das geschah dann auch zwischen Pizza, Nuggets und Pommes. Andere würden nach so einem Essen vermutlich einen Schnaps als Absacker zu sich nehmen - wir Steam Noir Revolution.
Es kommt auch vermutlich nie gut an, wenn man ein
Spiel mitbringt und die Erklärungsversuche mit den Worten beginnt: "Ich
habe die Anleitung zwar gelesen, hab aber keine Ahnung wie es ablaufen soll.
Wie wäre es, wenn wir einfach Stück für Stück drauf losspielen beim ersten
Mal?", aber ich tat es.
Ersteindruck Partie 1 stur Stück für Stück
häppchenweise nach Anleitung gespielt: So und jetzt bitte nochmal. Der Kaiser
hatte uns bereits nach wenigen Runden uneinholbar abgestraft.
Eindruck nach Partie 2: Okay, so langsam macht es
alles Sinn.
Eindruck nach Partie 3: Coooooooool.
Wie kam es dazu?
In Steam Noir Revolution sind wir Teil
einer Revolution und sympathisieren im Geheimen mit einer der fünf vorhandenen
Gesellschaftsgruppen. Ziel dabei ist es die Popularität der eigenen Gruppe am
Spielende über die des Kaisers zu katapultieren oder alternativ bei Dominanz
des Kaisers der Gruppe anzugehören, welche der Revolution am wenigsten
Zündfeuer gegeben hat. Gar nicht gut kommt es, wenn die eigene
Gruppe zu dominant wird. Dann wird man nämlich als neuer Diktator direkt mit
abgesägt und die zweitstärkste Kraft gewinnt.
Popularität wird über lange Zeit aufgebaut und
zwar über die Dominanz von Wochentagen, in deren sich regelmäßig die stärkste
revolutionärste Kraft mit der aktuellen Macht des Kaisers misst. Erreicht wird
das Zwischenziel durch verdecktes Legen von Sympatiekarten, welche
grundsätzlich einer Gruppe zugeordnet sind. Dabei kann jede Karte nicht nur als
Sympatiekarte, sondern auch als Verräterkarte dem Kaiser zugesteckt werden, was
die jeweilige Dominanz der Gruppe, aus deren Reihe der Verräter kommt,
untergräbt und gleichzeitig den Kaiser stärkt.
Die Spieler sammeln über Wochen und Monate
Revolutionspunkte, welche am Ende die eigene im geheimen unterstützte Partei
nach vorne bringen.
Verstanden? Sicher nicht. Steam Noir
Revolution ist so ein Spiel, was nicht wirklich von Erzählungen erfasst
werden kann oder von bloßen Regelerklärungen. Das ist vermutlich auch der
Grund, weshalb der Titel nicht das Lob erfährt, was er eigentlich verdient
hätte, denn eigentlich steckt ein ziemlich gutes Spiel dahinter. So viel mehr
als die Regeln oder die Karten erahnen lassen.
Das ist aber keinesfalls ein Problem der
Anleitung. Diese ist sogar vorbildlich mit einer Regelkurzfassung an den
Seitenrändern versehen. Klare Empfehlung: Bitte einfach Stück für Stück
losspielen bei der ersten Partie. Einleitungssätze wie: "Leute, nach
meiner Erklärung werdet Ihr wahrscheinlich keine Ahnung haben, aber vertraut
mir und spielt einfach mal los" sind, so lustig es auch klingen mag, hier
wirklich angebracht und wahrscheinlich die beste Strategie das Spiel zu
erfassen.
Wurde die Hürde genommen, dann sind die
eigentlichen Regeln verblüffend simpel. Ich lege eine Karte und ziehe am Ende
auf mein Limit auf. Auch die permanenten Zwischenwertungen sind schnell
verinnerlicht.
Der eigentliche Reiz von Steam Noir Revolution
steckt im Detail, im Taktieren, im so genannten Metagame, im Bluffen. Welche
Strategie ist mir nun von Nutzen? Welche Partei sollte nun nach oben gepusht
werden? Sehe ich, dass der Kaiser zu dominant wird, versuche ich möglichst weit
unten in der Popularitätsleiste zu bleiben und durch temporäre
Unterstützungskarten und möglichst viele Revolutionspunkte während der Wochen
am Monatsende eine evtl. für mich gefährliche Partei nach oben zu
katapultieren. Ist der Kaiser nicht zu stark und es besteht eine realistische
Chance meiner Partei am Spielende die Oberhand zu gewinnen, dann sammle ich
möglichst viele Revolutionspunkte, um am Ende den entscheidenden Sprung an die
spitze zu machen. Mir ist dabei egal, ob ich zwischenzeitlich eine andere
Partei fördere. Schnell die höchste Unterstützungskarte in einer Woche gespielt
und wertvolle Punkte in der Zwischenwertung abgegrast.
Klar ist, dass Steam Noir Revolution Zeit
braucht. Drei Partien sollten es schon sein, um die vielen taktischen Manöver
zu erfassen, welche sich erst nach einigen Runden eröffnen. Gut, dass eine
Partie nur gut 40 Minuten braucht. Wenn man schnell spielt auch weniger.
Schade, dass es überhaupt Anlaufzeit braucht. Intuitiv spielt es sich somit
nämlich nicht und schreckt die bekannten "Einmalspieler" somit ab,
die bereits nach einer Partie ihr Urteil gefällt und Steam Noir Revolution
als reines Glücksspiel abgestempelt haben. Die greifen dann vermutlich mit den
Spielern, die zu viele ungespielte Spiele haben und beim Durchblättern der
Anleitung schreiend davon gelaufen sind, weil die Abläufe nicht klar waren zu
einem knallharten Optimierungsspiel.
Glück ist dabei weniger enthalten, als man denken
könnte. Die Trendkarten, welche stets einer Partei pro Woche einen leichten
Bonus geben, sowie die permanent offen ausliegende aktuelle Wertung spielen
unbemerkt eine wichtige psychologische Rolle, die das Auslegen bestimmter
Sympatiekarten forciert oder bewusst von diesen ab rät.
Verblüffend wie das kleine Element wirkt.
Aber es ist ja schließlich auch ein Bluffspiel.
Bitte Zeit nehmen und ausprobieren!
Steam Noir Revolution von Daniel Danzer
Erschienen bei spielpunk
Für 3 bis 5 Spieler in ca. 40 Minuten
Boardgamegeek-Link