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02.08.2013

Helvetia - Arbeiten, Schlafen, Fortpflanzen


Helvetia erschien bereits 2011 beim KOSMOS Verlag. Der Designer Matthias Cramer erschuf dabei eine idyllische Schweizer Dorfkulisse, in welcher es um Güterproduktion, Fortpflanzung und Siegpunkte geht. Da das Spiel einige schöne Mechanismen beinhaltet, stelle ich es heute auf den BoardgameMonkeys vor. Bühne frei.

Spielverlauf und Spielziel

In Helvetia beschränken sich 2-4 Spieler in ca. 60-90 Minuten auf die drei wichtigen Säulen des Lebens: Arbeiten, Schlafen, Fortpflanzen. Dabei geht es schlussendlich (wer hätte es bei einem Euro-Spiel gedacht?) um Siegpunkte. Temporäre und permanente. Doch etwas ausführlicher: In Helvetia übernehmen die Spieler die Rollen von Bürgermeistern eines Schweizer Bergdorfes. Hierbei gilt es Gebäude zu bauen, Güter zu produzieren, diese weiterzuverarbeiten und neue Arbeiter zu gewinnen um noch mehr zu produzieren. Und
das Ganze am besten schnell und als Erster, denn nur dann gibt es Siegpunkte. Für das erste Bier, den ersten Speck, die erste Holzplanke und das erste Mal - nein, ich gebe zu letzteres ist geflunkert. Nichts also mit der berühmten Schweizer Gemütlichkeit. Da die Uhren in der Schweiz ja bekanntlich "anders" ticken, wird gegen den Uhrzeigersinn gespielt und nach und nach um die Gunst einer Person des übergeordneten Dorfes geworben: Baumeister, Pfarrer, Hebamme, Nachtwächter oder Fuhrmann. Mit diesen steuert Helvetia sodann die verschiedenen Aktionsmöglichkeiten: Produktionsgebäude erwerben, Dorfbewohner verheiraten, Kinder zeugen, Bewohner wecken oder Güter produzieren und verkaufen. Dabei kommt jeder Person eine gleichgestellt wichtige Bedeutung zu, sodass oftmals ein Ringen um den Vorteil entsteht. Der Siegpunktmotor läuft hauptsächlich über die Produktion. Hierbei ist es nicht nur wichtig Güter zu produzieren, sondern diese auch innerhalb der Produktionskette weiterzuverarbeiten und höherwertige Produkte herzustellen. Nach getaner Arbeit legen die Bewohner erstmal das verdiente Nickerchen ein um später durch den Nachtwächter aus dem Schlaf gerissen zu werden. Die Stahlproduktion wartet schließlich nicht! Um diese oftmals langen Produktionsketten in Gang setzen zu können benötigt man jedoch noch weitere Arbeiter. Aus diesem Grund wird mal eben schnell ins andere Dorf eingeheiratet und ein Nachkomme gezeugt. Nach einem Jahr Schule ist dieser dann auch schon bereit und alt genug um unter Tage Teppiche zu knüpfen... nein natürlich nicht. Ich meine selbstverständlich alt genug um Bier zu brauen oder ebenfalls verheiratet zu werden.

Resume

Helvetia hält, was es bereits auf der Spielschachtel verspricht: Dörfer bauen, Paare trauen. Um auch noch den letzten Mechanismus der Güterproduktion in den eingängigen Werbeslogan einzubauen, müsste man diesen jedoch noch um die Worte "Bier brauen" erweitern. So deutlich, wie der Slogan klingt, so klar ist auch Helvetia als Ganzes. Es bietet dabei eingängige bereits bekannte Mechanismen (Stadtbauelemente, Aktionsauswahl und Güterproduktion) und verzahnt diese elegant mit einem, für mich bisher unbekannten,
Mechanismus der Fortpflanzung (also Brettspieltechnisch gesehen natürlich). Kinder zeugen, Kinder zur Schule schicken, Kinder verheiraten und Kinder in der eigenen Stadt arbeiten lassen. So oder so ähnlich stellt sich im Groben dieser innovative Mechanismus dar. Nur, dass die Kinder nach der Schulzeit natürlich erwachsen geworden sind. Generell fordert Helvetia sehr stark die Spieler dazu auf sich mit den Mitspielern zu beschäftigen. So wird nicht nur auf das eigene Dorf geschaut, sondern auch mal ein Auge auf das der Nachbarn geworfen - oder viel mehr auf die ledige Dame dort. Wie im echten Leben ist so eine Hochzeit dann schnell vollzogen. Mal eben schnell zum Priester und schon bald kann es los gehen und ein neuer Dorfbewohner erblickt das Licht der Welt. Der Blick über den eigenen Tellerrand hinaus ist somit bei Helvetia nicht nur möglich, sondern auch unbedingt notwendig, sogar unerlässlich und ganz nebenbei auch noch herrlich thematisch. Unterstützt wird diese dichte Stimmung durch optisch schönes und griffiges Spielmaterial, welches in der gewohnt gut ausgestatteten KOSMOS-Box geliefert wird. Einziges Manko beim Material ist die nicht zu 100% gut erkennbare Unterscheidung der Spielfiguren von Mann und Frau.
Hier wäre eine noch deutlichere Unterscheidung wünschenswert gewesen, da diese ja ein wichtiger Bestandteil des eben erläuterten Fortpflanzungsmechanismus ist. Als kritisch darf bei Helvetia der recht gleichförmige Spielablauf nach einigen Partien angesehen werden. Durch immer unterschiedliche Startgebäude wird dieser zwar von Spiel zu Spiel stets gering variiert, jedoch kommt es im Anschluss daran stets zum gewohnten "Wettlauf" um die beliebten, da wertvollen Produktionsgüter. Interessant hingegen ist das Zusammenspiel von temporären und permanenten Siegpunkten, welche einen gewissen indirekten Konflikt fördern. Zusammenfassend bleibt jedoch bei Helvetia ein sauber herausgearbeitetes Spiel mit einem Mix aus bekannten und innovativen Mechanismen im Segment der mittelschweren bis leichten Euro-Spiele mit anschaulichem Material, was aufgrund seiner recht kurzen Spieldauer immer mal wieder auf den Tisch kommen kann. Wenn man die Sonderangebote verschiedener Onlinehändler überprüft, findet man zudem gelegentlich das ein oder andere Schnäppchen, bei welchem der Titel für unter 15,00 EUR - weit unter seinem Preis - angeboten wird.
Vielen Dank an Kosmos für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.

 

sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek.com bzw. vom jeweiligen Verlag (hier Kosmos)