Abenteuer in Mittelerde aus dem Hause Kosmos ist ein episches Spiel - zumindest
von der Spiellänge. Man kann ca. 4-5 Stunden einplanen, wenn man sich auf das
Spiel einlässt. Bei einem solchen Spiel ist es daher umso wichtiger, dass der
Spieldauer der Spielspaß auch gerecht wird, denn nichts ist schlimmer als die
kostbare Freizeit mit stundenlangen Brettspielen zu verbringen und danach zu
denken "Mensch, die Zeit hätte ich auch besser nutzen können."
Ob Abenteuer in Mittelerde dieses epische Spielgefühl bringt, schauen
wir uns mal an.
Spielverlauf und Spielziel
In Abenteuer in Mittelerde übernimmt ein
Spieler die Rolle Saurons und bis zu drei weitere Spieler jeweils einen
Heldencharakter - sprich Gimli, Legolas, Aragorn... halt! Es sind ja doch nur
die unbekannten Doppelgänger. Denn Abenteuer in Mittelerde spielt
zeitlich gesehen zwischen dem Hobbit und der Herr der Ringe Trilogie. Eine
gewisse Ähnlichkeit zu den bekannten Haupthelden der Trilogie ist den hier
vertretenen Helden jedoch nicht abzuschlagen.
Abenteuer in Mittelerde ist ein relativ
regelkomplexes Spiel, sodass es, meiner Meinung nach, nicht sinnvoll ist, in
diesem Review alle Regeln zu erklären und alle Möglichkeiten, die das Spiel
bietet, aufzuzeigen. Vielmehr beschränke ich mich auf eine grobe
Zusammenfassung und gehe gezielt auf einige interessante Mechanismen ein.
Das Spiel endet auf unterschiedliche Weisen.
Diese beziehen sich ausschließlich auf die sogenannte Fortschrittsleiste.
Erreicht der Heldenmarker das Ende der Leiste, endet das Spiel. Gleiches gilt,
wenn entweder einer der drei Schattenmarker das Ende erreicht, oder alle drei
Schattenmarker eine bestimmte Stelle auf der Leiste überschritten haben. Ist
dies der Fall, so wird geprüft, ob zusätzlich das jeweilige teamspezifische
Ziel erfüllt wurde. Ist dies der Fall, so gewinnt die jeweilige Partei. Ist
dies nicht der Fall, so kommt es zu einem finalen Endkampf zwischen einem der
Helden und den Ringgeistern, dessen Ausgang über Sieg oder Niederlage
entscheidet. Soweit - so einfach. Doch wie werden diese Ziele erreicht und die
Marker überhaupt vorgeschoben?
Die Helden selbst müssen relativ wenig dafür tun,
dass ihr persönlicher Marker auf der Fortschrittsleiste fortbewegt wird, denn
dieser bewegt sich pro Zug Saurons automatisch um zwei Felder vorwärts. Diese
Anzahl kann natürlich über Karten- und Spieleffekte beeinflusst werden.
Die jeweiligen Sauronmarker werden über die
diversen sogenannten Plots Saurons voran bewegt. Diese Plotkarten kann der
Sauronspieler in seinem Zug unter bestimmten Voraussetzungen ins Spiel bringen,
was in der Regel ein dauerhaftes negatives Ereignis für die Helden bedeutet. Dies gilt es für die Helden baldmöglichst aus dem Spiel zu bekommen.
Um diese Plotkarten überhaupt ins Spiel bringen
zu können, muss der Sauronspieler in den meisten Fällen eine bestimmte
Voraussetzung erfüllen. Um dies zu gewährleisten kann er pro Zug mit drei
Aktionspunkten aus drei unterschiedlichen Aktionsmöglichkeiten wählen: Einfluss
vergrößern, Karten ziehen und Monster oder Schergen bewegen. Das interessante
Dilemma des Sauronspielers ist hierbei, dass jede Aktion nur drei Mal zur
Verfügung steht und zudem mit jedem erneuten Nutzen dieser Aktion sich diese
abschwächt. Erst nach dem Legen des vierten Aktionsmarker darf der
Sauronspieler die ersten drei Marker auf die Hand zurücknehmen und die zuvor
belegten Aktionen erneut nutzen. Dies zwingt ihn dazu seine Aktionen einerseits
zu variieren und andererseits gut zu überlegen, welche Aktion in der
derzeitigen Situation nun wirklich notwendig ist.
Sind beispielsweise genug Einflussmarker Saurons
auf dem Feld oder im Schattenpool (eine Art Reserve) erlaubt es dem
Sauronspieler in der Regel umso mehr Plotkarten ins Spiel zu bringen oder
Ereigniskarten zu spielen, um die Helden zu blockieren.
Die Aufgabe und somit der Zug der Helden besteht
in erster Linie im Herumreisen auf der Karte und dem Sammeln von Gunstmarkern.
Mit diesen Aktionen ist es ihnen in der Regel möglich Einfluss zu entfernen und
aktive Plotkarten des Sauronspieler aus dem Spiel zu nehmen. Das Herausnehmen
eben solcher verzögert das Spielende für den Sauronspieler und führt somit,
wenn es ausreichend praktiziert wird, automatisch zum Spielende für die Helden,
da der Heldenmarker ja, wie bereits erwähnt, automatisch pro Zug vorrangezogen
wird.
Zusätzlich versuchen die Helden altbekannte
Charaktere aus der bekannten Trilogie wie etwa Gandalf, Aragorn oder Theoden,
welche durch Ereignisse ins Spiel gelangen, zu erreichen um durch sie Boni und
somit Hilfe zu erlangen. Die Helden versuchen zudem zu trainieren oder die
Hauptschergen Saurons, wie den Hexenkönig, den Mund oder die Ringgeister zu
bekämpfen. Diese kommen nach und nach für den Sauronspieler mit Fortschreiten
des Schattenmarkers ins Spiel und erschweren die Lage der Helden Stück für
Stück.
Der Zug der Helden ist maßgeblich von deren
spezifischen, einzigartigen Kartendeck abhängig. Dieses stellt die
Kampffertigkeiten des Helden, dessen Bewegungsreichweite und dessen
Lebenspunkte dar. Kurzum: Egal, ob ein Held kämpft oder sich bewegt nutzt er
die Karten seines Decks und schiebt diese nach Benutzung entweder auf die
Erschöpfungsseite der Charakterkarte oder auf die Verwundungsseite. Das
bedeutet, dass ein Held mit zunehmender Aktionsreichweite immer schwächer wird,
sodass es zeitweise wichtig ist eine Erholungsaktion zu nutzen um die Karten
dieses Ablagestapels erneut ins Kartendeck zu mischen. Karten, welche aufgrund
von Kampfschaden aus dem Deck auf die Verwundungsseite geschoben wurden sind
allerdings nur durch spezielle Heilungsaktionen wiederzuerlangen. Zudem kann das Deck durch eine Trainingsaktion mit stärkeren Karten aus dem
Trainingsdeck aufgefüllt werden.
Der Kampf selbst läuft über gegenseitiges
Kartenspielen aus dem jeweilig passenden Deck ab. Hierbei sind auf jeder Karte
Angriffs- und Verteidigungswerte abgebildet, welche einfach gegeneinander
aufgerechnet werden. Ein Held kann jedoch nie sterben. Er startet einfach
völlig erschöpft in einer Festung der freien Völker neu.
Resume
Die Abenteuer von Mittelerde benötigen
Zeit - viel Zeit. Damit fällt es durchaus für einige Spieler komplett aus
dem Raster, denn lange Spiele sind keinesfalls für jeden Spieler das Richtige. Fans
der Herr der Ringe Trilogie und Fans des thematischen Spielerlebnisses sollten
aber Abenteuer in Mittelerde nicht in ihrer Sammlung missen.
Das Material des Spiels ist üppig und nahezu
perfekt. Extrem detaillierte schöne Miniaturen für die Schergen und Helden, ein
riesiges Spielbrett (und riesig bedeutet zwei sehr große aneinandergelegte
Spielbretter), zahlreiche Karten mit netten "Flavour-Texten", sowie
eine gut geschriebene bebilderte Anleitung. Einziger Kritikpunkt ist die
Ausstattung der Packung. Hier hat Kosmos leider die leere Box des
amerikanischen Vertreibers Fantasy Flight Games übernommen, sodass für die
unzähligen Tokens erst einmal ordentlich Tütchen oder Boxen besorgt werden
müssen. Aber dies nur am Rande.
Das Spiel muss sich den Vergleich mit ähnlich
langen epischen Spielen, wie etwa Der Herr der Ringe - Der Ringkrieg gefallen
lassen. Zu viele sehr gute, sehr lange Spiele gibt es bereits auf dem Markt,
sodass ein neuer Titel vom Spielerlebnis mit diesen einfach mithalten muss,
damit man bereit ist fast einen ganzen Nachmittag dafür zu opfern. Diesen
Vergleich braucht Abenteuer in Mittelerde nicht zu scheuen.
Das Thema wird perfekt durch das Spiel
transportiert, auch wenn das Spiel sich keineswegs auf die, in der Trilogie
imposant aufbereiteten, Kämpfe beschränkt. Keinesfalls. Abenteuer in Mittelerde
nimmt sich vielmehr das Thema der Korruption Saurons als Mittelpunkt und
punktet damit enorm.
Das Spiel spielt sich komplett unterschiedlich
für beide Parteien, wobei der Sauronspieler, nicht zuletzt dadurch, dass er
keine Berater zur Seite stehen hat, den schwierigeren Part hat und schon sehr genau
planen muss, was nun sinnvoll ist und wie er denn nun welchen Plot jetzt gut
vorbereiten kann. Schafft er dies, dann macht es unheimlich Spaß die Helden von
einem Brennpunkt zum nächsten zu hetzen und einen bösen Plot nach dem nächsten
ins Spiel zu bringen.
Der Deckmechanismus auf der Heldenseite ist toll
gelöst. Aktionsradius gekoppelt an Lebenspunkte. Nicht nur, dass die Helden
jeweils unterschiedliche Decks haben, sondern, dass diese auch jeweils
entscheiden müssen, ob ein solch langer Marsch zu Ort A oder B nun sinnvoll ist
um dann geschwächt einem Kampf gegenüber zu stehen, stellt die Helden immer und
immer wieder vor schwierige Entscheidungen.
Mit zunehmendem Spiel, nimmt der Druck durch den
Sauronspieler durch hinzukommende Schergen auch immer mehr zu, sodass die
Helden gegen Ende permanent in Bewegung sind und nur noch davon träumen können
ihre persönlichen Quests zu lösen.
Schade und vielleicht einziger Kritikpunkt am
Spielverlauf selbst, ist der gegebenenfalls auftretende Endkampf eines Helden
mit den Ringgeistern. Dieser wird durch den bisherigen Spielverlauf zwar zu
Gunsten einer Seite modifiziert, wirkt aber ansonsten völlig aufgesetzt auf das
bisherige Spiel. Es lässt für mich ganz offensichtlich die Frage offen, was
dieser eine Endkampf nun mit dem bisherigen Spiel zu tun haben soll. Abenteuer
in Mittelerde ist doch eben nicht das Kampfspiel und so sehr storybetrieben.
Warum dann also alles abstellen auf einen einzelnen finalen Kampf, bei welchem
im Übrigen die Helden meistens die besseren Karten haben? Wirklich kein schönes
Ende für ein solch langes Spiel. Da bleibt es also nur wünschenswert, dass das
Spiel mit einem der vordefinierten Zielkarten der Parteien entschieden wird.
Abenteuer in Mittelerde: Epische Spielzeit =
Episches Spielgefühl? Das Fragezeichen kann man getrost durch ein
Ausrufungszeichen ersetzen! Die investierte Zeit lohnt sich. Das Spiel hat
durchaus seine Berechtigung unter den zeitintensiven Spielen und ist die,
zugegebenermaßen recht aufwendige, Einarbeitung in Regelwerk und Mechanismen
wert.
Vielen Dank an Kosmos für die Bereitstellung
des Rezensionsexemplares